Íslensk hljóð hljóma út fyrir haf og tíma - Isländische Klänge tönen über Meer und Zeit hinaus

Rudolf Habringer behandelt in seinem Roman „Island-Passion“ auch die österreichische Geschichte des 20. Jahrhunderts

Von Anabell SchuchhardtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anabell Schuchhardt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

 

Gleich zu Beginn des Buches wird der Leser durch eine Vielzahl von Zeitsprüngen und Ortswechseln in leichte Verwirrung gestürzt: Von einem Platz irgendwo in Deutschland um 1973, von Österreich 1964 und von Garður auf Island im Jahr 2004 ist die Rede. Die Verbindungsfigur in diesem ganzen Durcheinander scheint Richard Behrend zu sein. Allerdings begreift man auch das erst später, denn der Autor, Rudolf Habringer, hat nicht bedacht, dass der Leser vorerst mit Figuren und ihren Namen vertraut werden muss, bevor sie ihm geläufig sind. Mal nennt der Autor die scheinbare Hauptfigur nur beim Vor-, dann wieder nur beim Nachnamen, selten aber mit beiden. Und so wiegt sich der neugierige, aber noch nicht alles begreifende Leser anfangs leicht in dem Glauben, dass hier von zwei unterschiedlichen Personen die Rede sein könnte. Gänzliche Verzweiflung droht kurz einzutreten, als plötzlich ein Ich-Erzähler in Form eines Tagebucheintrages in Erscheinung tritt.

Mit der Zeit allerdings gewöhnt man sich an alles. Erleichterung verschafft eine – nun doch eintretende – Gliederung des Romans in drei Teile. Der erste davon wird klar als „Die Festlandepoche“ betitelt, enthält aber dennoch auch Island-Episoden. Hier, beziehungsweise genauer noch in Österreich, beginnt nun das Leben von Richard Behrend. Nach seiner schulischen Laufbahn auf einem Internat zieht er mit seinem besten Freund, Gerhard Zollner, nach Wien. Beide studieren dort Musikwissenschaften und treffen sogleich auf die entscheidende Figur des restlichen Buches: den Professor Strigl. Das Leben an der Universität läuft für die Jungs ansonsten eher nebenher. Wichtiger sind ausgelassene Partys, Ausschlafen und Frauen. Dann jedoch überschlagen sich die Ereignisse. Richard Behrend darf als freier Mitarbeiter einer Zeitung nach Island reisen, um über den legendären Schachspieler Bobby Fischer zu berichten. Dabei stößt er auf die Spuren des österreichischen Musikers Karl Wallek, der im Zweiten Weltkrieg mit seiner Familie auf die nordische Insel geflohen war. Der junge Student beschließt, der Sache genauer auf den Grund zu gehen und sieht sich bald mit einer Tatsache konfrontiert, mit der er sich bisher nie beschäftigt hatte: Noch immer lebt die Generation, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat. Über das, was diese Leute erlebt haben, möchte aber niemand sprechen.

Rudolf Habinger ist 1960 in Desselbrunn in Oberösterreich geboren und lebt mittlerweile als freier Schriftsteller in Walding bei Linz. Mit „Island-Passion“ ist ihm ein spannender Roman gelungen, der sehr viele historische Zusammenhänge zu verknüpfen weiß. Teilweise hat man jedoch die Befürchtung, der Autor könne doch zuviel davon in das Buch gepackt haben: Musikwissenschaft, Schach und Bobby Fischer, die RAF und die „wilden“ siebziger Jahre, der Zweite Weltkrieg in Österreich und die Judenverfolgung sowie die Beschreibung Islands mit seiner Kultur und historischen Ereignissen (etwa dem Vulkanausbruch 1973 auf den Westmännerinseln). So ziemlich alles, was die europäische Welt in den beschriebenen Jahren beschäftigt haben dürfte, wird auch in dem Leben von Richard Behrend erwähnt. Oft geschieht dies allerdings so am Rande, dass es wohl für Zeitzeugen verständlich bleibt, jüngere Generationen aber im Dunkeln tappen lässt.

Das alltägliche Leben beschreibt Habinger jedoch mit sehr viel Genauigkeit, und auch die Island-Passagen sind ausführlich. Wahrscheinlich ging der Autor davon aus, dass die Leser darüber am wenigsten wüssten und somit mehr Informationen bräuchten als über das Leben in Österreich um 1970. Nebenbei lernt man also, dass in Island die Schuhe ausgezogen werden, bevor man ein Haus betritt, oder wie gewisse Namen oder Laute ausgesprochen werden. Hier ließe sich allerdings auch eine fehlende Kontinuität aufweisen. Zwar erfährt der Leser, dass der Buchstabe „ð“ wie ein englisches „th“ ausgesprochen wird, dass allerdings das häufig auftretende „á“ ein „au“ bedeutet, ignoriert er.

Die Handlung von „Island-Passion“ bleibt das ganze Buch über dadurch spannend, dass neue Verbindungen aufgedeckt werden, mit denen der Leser nicht rechnen konnte. Hierbei erweist Habinger sich als äußert einfallsreich und entpuppt sich als veritabler Krimi-Autor.

Titelbild

Rudolf Habringer: Island-Passion. Roman.
Picus Verlag, Wien 2008.
353 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-13: 9783854526261

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