Das Geschäft mit der Sehnsucht – Über Selim Özdogans Roman „Zwischen zwei Träumen“

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

 

Musik muss man nicht selbst machen, man kann sie kaufen. Bilder werden tausendfach nachgedruckt und niemand muss sie selbst malen. Abenteuer muss man nicht selbst erleben, man kann sie in Büchern und Filmen erleben, also auch erwerben. Nur träumen muss man selber. Denn Träume kann man nicht kaufen. Aber was wäre, wenn man auch die Träume kaufen könnte? Wenn es grandiose Träumer gäbe, deren Träume sich aufzeichnen ließen und die jedermann erstehen könnte?

Selim Özdogan hat aus dieser Idee einen Roman gemacht. Träume können darin als Augentropfen gekauft werden, es gibt berühmte Vorträumer, große Firmen suchen nach Nachwuchstalenten, deren Träume sich vertreiben lassen, Traumatheken und Traumbars werben um Kunden – und natürlich gibt es auch illegale Träume.

Einer dieser Talente ist Nesta, der selbst ein großer Träumer sein möchte. Immer wieder wird er zum Vorträumen eingeladen, doch zum großen Erfolg reicht es nicht. Nesta ist gut, aber nicht gut genug. Salieri, nicht Mozart. Das alte Problem in der Kunst: Was wird mit denen, die zweitklassig sind? Özdogan zeigt es uns, Nestas Freund Sal wird ein berühmter DJ, seine Freundin Tedeisha eine angesagte Träumerin, beide werden berühmt, beide vergessen Nesta. Der verdient seine Brötchen mit LKW-Fahren und träumt weiter vom großen Durchbruch.

Özdogan schreibt eine bedrückende Studie aus einer Welt, in der auch Träume gekauft werden und nur die Besten Träumer zählen.

Schon frühere Bücher Özdogans bestachen durch eine poetische Sprache und durch sorgfältige Figurenzeichnung, doch hier hat er sein Meisterwerk abgeliefert. Wie in „Neuromancer“, dem Cyberpunkroman, der Geschichte schrieb, zeichnet er hier eine Zukunftsgesellschaft, einen ganz eigenen Kosmos, entwirft konsequent einen technologischen Hintergrund und verwebt diesen mit einer Abenteuergeschichte. Aber vielleicht ist es auch gar keine Zukunftswelt, diese Welt, in der wir Träume kaufen, statt selbst zu träumen? Buchhandlungen, Videotheken und Kinos sind voll von Träumen anderer, die man für wenig Geld kaufen kann – selbst träumen braucht man kaum noch, auch heute schon.

Titelbild

Selim Özdogan: Zwischen zwei Träumen. Roman.
Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2009.
448 Seiten, 18,95 EUR.
ISBN-13: 9783785716243

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