Vom Aschermittwochsmahl zur Unendlichkeit

Giordano Brunos Exil-Werk „Über das Unendliche, das Universum und die Welten“ ist in deutscher Übersetzung erschienen

Von Patrick MenselRSS-Newsfeed neuer Artikel von Patrick Mensel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als Giordano Bruno 1583 zum ersten Mal in seinem Leben englischen Boden betrat, war sein Ruf ihm schon vorausgeeilt – sogar bis an den Hof Königin Elisabeths I. Der englische Botschafter in Paris warnte in einem Schreiben an den königlichen Sekretär vor einem gewissen „Doktor Jordano Bruno aus Nola“, einem Philosophie-Professor, dessen Religion er nicht empfehlen könne. Brunos Anschauungen schlugen zu diesem Zeitpunkt bereits hohe Wellen, nicht zuletzt in diplomatischen Kreisen. Er ließ das durch die Hugenottenkriege in Aufruhr geratene Frankreich hinter sich und zog mit einer Empfehlung des französischen Königs als Gast bei dem französischen Botschafter Michel de Castelnau in London ein.

Der damit beginnende zweijährige England-Aufenthalt zeugt von einer der kreativsten und schöpferischsten Phasen in Brunos Leben. Aus dieser Zeit stammen auch die sieben italienischen Dialoge, Brunos philosophische Weltdarstellung. Allerdings konnte sich Bruno aus zwei Gründen nicht lange in England halten: Zum einen verlor er sein Standbein in diplomatischen Kreisen, da Castelnau zurück nach Frankreich beordert wurde, zum anderen lösten seine Auftritte an der Universität Oxford in der akademischen Welt große Spannungen aus: Derart große, dass die Forschung Brunos England-Aufenthalt trotz fehlender Vorlesungsaufzeichnungen zu rekonstruieren versucht hat.

Die maßgebliche Frage ist demnach, ob Bruno – wie er es in seinem Aschermittwochsmahl aus dem Jahre 1584 in zugegebenermaßen satirisch-polemischer Weise beschreibt – der Universität Oxford das kopernikanische Weltbild näher vorstellen wollte beziehungsweise überhaupt konnte. Der damalige Lehrplan Oxfords, der vor allem durch aristotelische und ramistische Studien geprägt war, zeugt von einer Grundstimmung, die Brunos Ausführungen zum Kopernikanismus, wenn auch nicht unmöglich gemacht, so doch erheblich erschwert beziehungsweise mit Gleichgültigkeit gestraft hätte. Brunos spitzfindige Bemerkung im Aschermittwochsmahl bezüglich einer Schwemme von „Doktoren in Grammatik“, ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. Schon gar nicht an einem Ort, an dem zur damaligen Zeit ein Schwerpunkt auf „rhetorisch formale[n] und linguistische[n] Studien“ lag.

Außerdem fokussieren sich die spärlichen Zeugenaussagen über Brunos Vorlesungen weniger auf den Kopernikanismus als vielmehr auf den Plagiatsvorwurf hinsichtlich seines Vortrages aus einem Text des Renaissancephilosophen Marsilio Ficino. Trotz dieser Indizien lässt sich Brunos Vortragsgegenstand nicht abschließend eingrenzen oder gar bestimmen. Sicher ist allerdings, dass Brunos Erfahrungen in Oxford zum „Ausgangspunkt einer intensiven Auseinandersetzung mit der Naturphilosophie und ihrer Darstellung“ werden, die in seinem Werk „Über das Unendliche, das Universum und die Welten“ gipfelt.

Bereits nach dem antithetisch verfassten Anfang wird deutlich, welche Richtung Bruno dieses Mal eingeschlagen hat: Von der „speziellen Problematik der Realität der kopernikanischen Lehre“ losgelöst, macht er sich auf zur „Struktur des Universums und der methodischen Forderung“ nach einer Beweisführung seiner Unendlichkeitsthese und der – in der Tradition der Aristoteliker stehenden – Endlichkeitsansicht. Eine Entscheidung über beide soll – in deutlicher Abkehr zum Aschermittwochsmahl – nicht mehr der Polemik zum Opfer fallen, sondern in einem möglichst objektiven Streitgespräch gefällt werden.

Seine Beständigkeit im Denken und seine Offenheit Neuem gegenüber halten sich in eben jenem Werk gekonnt die Balance und zeugen von Brunos stetiger philosophischer Entwicklung. Allein die Ausführungen zu den cusanischen Theorien geben „einen faszinierenden Blick auf die entscheidenden Schnittstellen, an denen sich der Übergang von den traditionellen Vorlagen in die moderne Naturauffassung faktisch vollzieht“.

Der 2007 erschienene vierte Band stellt einen wichtigen Punkt in der Beschäftigung der brunensischen Philosophie dar. Er bereichert die Bruno-Forschung im Allgemeinen und die Giordano Bruno-Werkausgabe des Meiner Verlages im Besonderen. Die von Ludwig Kuhlenbeck Anfang des vorigen Jahrhunderts in Angriff genommene Übersetzung hat nun einen würdigen Nachfolger erhalten, dessen hohe Zuverlässigkeit ihn schon heute in den Rang eines Standardwerkes erhebt. Die über 100 Seiten starke Einleitung und der fast ebenso lange Kommentar Bönker-Vallons bringen dem Leser die schwierigen Gedankengänge und zahlreichen Anspielungen Brunos nahe.

Neben den italienischen Dialogen schlummern noch etliche verborgene Schätze in Brunos lateinischen Werken. Es bleibt zu hoffen, dass im Zuge dieser Edition auch Letztere übersetzt werden und so zum ersten Mal in deutscher Sprache einem breiten Publikum vorgestellt werden können.

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Giordano Bruno: Über das Unendliche, das Universum und die Welten. De l'infinito, universo et mondi.
Herausgegeben von Angelika Bönker-Vallon.
Übersetzt aus dem Italienischen von Angelika Bönker-Vallon.
Felix Meiner Verlag, Hamburg 2007.
427 Seiten, 114,00 EUR.
ISBN-13: 9783787318049

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