Über die Kraft der Metapher

Hans Blumenbergs "Paradigmen zu einer Metaphorologie"

Von Waldemar FrommRSS-Newsfeed neuer Artikel von Waldemar Fromm

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als Hans Blumenbergs "Paradigmen zu einer Metaphorologie" 1960 im "Archiv für Begriffsgeschichte" veröffentlicht wurden, war daran gedacht, die Leistungen von Metaphern für die Erschließung und das Verständnis von Welt parallel zur Begriffsgeschichte der Philosophie aufzuzeigen. Wo, so fragte Blumenberg, sind Metaphern nicht bloßer Redeschmuck, der sich in eine buchstäbliche Bedeutung zurück übersetzen lässt, sondern konstitutiver Bestandteil des Denkens, das sich nicht mehr in "Logizität" überführen lässt? Für diesen Bereich "absoluter Metaphern" geben die "Paradigmen" den Ausweis ihrer Gültigkeit ab und die Methode ihres historischen Verständnisses vor.

Die Metaphorologie zielte zwar zunächst auf "absolute Metaphern", die ihr Thema, ihren Gegenstand oder Sachverhalt buchstäblich nicht mehr formulieren konnten und in der Metapher sprachlich retten sollten, was eben zu retten war. Dennoch ist dies keinesfalls der einzige Fall von Unbegrifflichkeit. Blumenberg weist in diesem Punkt auf Wittgenstein hin, der im "Tractatus" von Erfahrungen spricht, die nicht versprachlicht werden können. Blumenberg hat selbst im 1979 erschienenen "Ausblick auf eine Theorie der Unbegrifflichkeit", der als Fortsetzung der "Paradigmen" zu verstehen ist, erläutert, dass absolute Metaphern "nur als ein schmaler Spezialfall von Unbegrifflichkeit zu nehmen" sind. Eine Theorie der Unbegrifflichkeit gibt nicht einen eigenständigen, klar umrissenen Bereich ab. Vielmehr wird das Unbegriffliche in der Rede und damit im Wechsel zum Gesagten (Geschriebenen) jeweils eruiert: "Nicht die Existenz von Korrelaten behaupteter Sprachlosigkeit steht deskriptiv zur Diskussion, sondern die der Geschichte unseres Bewusstseins zugehörige Anstrengung, die Unsagbarkeit selbst sprachlich darzustellen", heißt es dazu im "Ausblick".

Blumenbergs Ansatz ist ein hermeneutischer Grenzfall, denn er thematisiert die Probleme der Undarstellbarkeit/Unsagbarkeit von einer Erfahrung aus, die weiß, dass das, was gesagt wird, nicht das ist, was gesagt sein soll. Die ästhetische Überforderung der Sprache von der Bedürfnislage aus macht deutlich, dass Sprache im "Horizont unerfüllter Intentionen" steht. Vergleichbar bestimmt auch Christiaan L. Hart Nibbrig in der Studie "Rhetorik des Schweigens" die literarische Rede von einem Mangel an möglichen (sagbaren) Kodierungen von Erfahrung. Unsagbares oder Unbegriffliches zeigt sich nicht als Prozess oder Struktur, sondern als "Gestalt". In der Formulierung solcher "Gestalten" liegt ein sinnvoller Anknüpfungspunkt für die Literaturwissenschaft, wie dies Michael Schumann jüngst gezeigt hat. Schumann hebt zurecht die Hellsichtigkeit Blumenbergs hervor, sich mit nicht diskursiven Erkenntnisverfahren zu beschäftigen. Neuere Literaturtheorien berufen sich häufig an zentraler Position auf ein Moment, das der Versprachlichung entzogen ist, den Text aber mit konstituiert: im Anschluss an Walter Benjamin als das Nichtmitteilbare, als Schweigen (Susan Sontag) oder Abwesenheit (Pierre Macherey), als "vor-semiologischer Zustand der Sprache" bei Roland Barthes, als das Semiotische bei Julia Kristeva, als Thematisierung einer "Art von Nicht-Ort" oder "Nicht-Wissen" bei Jacques Derrida oder als Inkommensurabilität wie bei George Steiner. Die mit unterschiedlichen und zum Teil entgegengesetzten Ansätzen verbundenen Namen sollen hier nur kurz andeuten, dass Blumenberg noch vor einer Ausdifferenzierung der Positionen einen hermeneutischen Grundstein zur Beschäftigung mit dem "Versagen des semantischen Dienstwertes der Sprache" gelegt hat. Eine retrospektive Lektüre seiner frühen Texte ist also gerade aus heutiger Sicht lohnenswert - sofern man gewillt ist, den Vorgriff auf das Ganze der Erfahrbarkeit in Metaphern nicht als Nonsens zu betrachten.

Die Neuausgabe von Blumenbergs Text ist im Zusammenhang mit der Neukonstituierung der Geistes- als Kulturwissenschaften eine lobenswerte Angelegenheit. Jedoch ist beim Suhrkamp Verlag die Publikationspraxis bei den Texten einer seiner wichtigsten Autoren zu kritisieren. Für Februar 2001 hat der Verlag von Blumenberg "ästhetische und metaphorologische Schriften", angekündigt. Warum nun ausgerechnet der Grundlagentext davon separiert wird und im Gegensatz zu den kleineren Schriften unkommentiert auf den Markt kommt, ist eines der Rätsel, deren Lösung nicht unter inhaltlichen Gesichtspunkten gefunden werden kann. So bleibt an dieser Ausgabe für den Rezensenten, der sich nun auf den langen Weg zu einer Werkausgabe geschickt sieht, zunächst nur, den Personen- und Sachindex positiv hervorzuheben.

Titelbild

Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1999.
198 Seiten, 10,10 EUR.
ISBN-10: 3518289012

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