Kurze Gedichte ohne Sinn

Über Marion Wagners Gedichtband „Flüchtiger Wind durch warme Nester“

Von Thorsten SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thorsten Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die meisten Lyriker haben einen Beruf, mit dem sie Geld verdienen. Selten hat dieser Beruf mit ihrer Tätigkeit als Dichter zu tun. Marion Wagner hingegen ist Autorin und Verlegerin des Marius Verlags in Berlin, in dem sie kürzlich auch ihren ersten Gedichtband veröffentlichte. Der Band mit dem lakonischen Titel „Flüchtiger Wind durch warme Nester“ ist ihr lyrisches Debüt – zuvor hatte sie die Lebensgeschichten einiger Frauen im Kontext ihrer Horoskope veröffentlicht. Nun wagt Marion Wagner also den Wechsel von der Astrologie zur Lyrik.

Wagner scheint sich mit dem Gedichtband das Ziel gesetzt zu haben, ihr Leben möglichst systematisch zu verarbeiten. Die wenigen, kurzen Gedichte lesen sich wie eine Suche nach sich selbst. Es sind Träume im Lebenslabyrinth, flüchtige Gedanken ohne Ziel. Den Schluss bilden drei Gedichte, in denen Marion Wagner beschreibt, was sie noch „will“, was sie vom Leben erwartet. Sie füllt die Seiten des Gedichtbandes mit Liebeskummer und Sehnsucht, verarbeitet eine gescheiterte Beziehung und streut grobpixelige, schlecht gedruckte Illustrationen zwischen die Gedichte. Wenn man sich zu fragen beginnt, warum es dieses oder jenes Gedicht und diese oder jene Zeichnung in einem Buch gibt, ist das Wagnis der Drucklegung zumindest fragwürdig. In diesem Buch wird alles nur angedacht, angerissen und nicht fortgeführt. Mit wenigen Worten: Es wird ein Sinn verdunkelt, den es nicht gibt.

Die Gedichte sind nicht mehr als flüchtige Momente, eben nur ein „flüchtiger Wind“. Doch schon Johann Gottfried Herder wusste, dass noch flüchtiger als Wind und Welle die Zeit flieht. An die Zeit, die mit dem Lesen des Gedichtbandes verbracht wird, denkt man nicht ohne Wehmut zurück. Was hätte man in ihr alles vollbringen können? Der flüchtige Wind verfliegt, die laue Luft bleibt. Es ist, als beantworte die Autorin die Frage, weshalb dieser Gedichtband veröffentlicht werden musste, in einem Gedicht selbst, wenn sie schreibt: „Ich vergehe! […] Will alles sein / im Hier und Jetzt. / Zu schnell wird / Leben neu besetzt. / Denn bin ich tot, / bleibt nichts zurück, / von meinem Wollen, / meinem Glück.“ Damit etwas zurückbleibt, muss sie ihre Gedichte dem lesenden Publikum präsentieren, scheint es. Dass sie sich damit der Kritik aussetzt, sollte sie geahnt haben. Jedes weitere Wort wäre zu viel.

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Marion Wagner: Flüchtiger Wind durch warme Nester. Gedichte.
Marius Verlag, Berlin 2008.
73 Seiten, 10,80 EUR.
ISBN-13: 9783940796509

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