Psychologenrisiko

Über Michael Robothams Profiler-Krimi „Dein Wille geschehe“

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Risiken und Nebenwirkungen der Arbeit von Psychologen, die mit der Kripo zusammenarbeiten, denen sie selbst, aber auch ihre Familien ausgesetzt sind, ähneln denen von anderen Ermittlern, Polizisten, Privatdetektiven, Pathologen und sonstigen am Tatort tätigen Menschen. Beinahe standardmäßig geraten sie – nachdem das gewöhnliche Opfer seinem Schicksal anheim gefallen ist, zumeist schmerzhaft und besonders grausam – als nächste in den Fokus der Täter. Das ist sogar einigermaßen logisch, da sich beide Seiten in ihrem Profil grundsätzlich ähneln: Auch wenn reale Täter dies oder das sein werden, im Krimi sind sie intellektuelle und habituelle Monster, die sich der Herrschaft über das Sein, die Welt oder auch nur ihre Nächsten versichern wollen und sich und ihre Leistungsfähigkeit mit der der Ermittler messen wollen.

Zeichen am Tatort, Hinweise und Spuren dienen nicht mehr dem viel zitierten Zweck, dass der vom Trieb gebeutelte Täter schleunigst gefasst werden will, sondern der Verhöhnung der Ermittler und der Demonstration der eigenen Überlegenheit. Die Verschiebung des Täterinteresses vom Opfer auf die Ermittler diente zeitweise vielleicht der Betonung von Gleichrangigkeit und Ebenbürtigkeit von Täter und Ermittler. Nun aber, da die Ermittler selbst zu Opfern werden, soll damit die Dominanz des Täters hervorgehoben werden. Ihm kann keiner etwas, er ist der Herr dieser kriminellen Welt, er gibt und nimmt, Spuren und Leben – und das nach seinem Gutdünken. Und als Schöpfer dieser Welt ist dieser naturgemäß dem Leser und Interpreten überlegen – wenn denn nicht am Ende so oft die Enttäuschung darüber stünde, wie umstandslos sich diese Weltenschöpfer überführen und aufs menschliche Maß reduzieren lassen.

Allerdings, im eigentlichen Sinn stehen die Ermittler nicht anders zur Welt, und auch ihr Handeln unterscheidet sich nicht grundsätzlich: Sie stehen zur Verfügung, und sie sind es, die ihr überhaupt erst Sinn verleihen – was eine intellektuelle Hybris von nicht geringem Kaliber ist.

Eine Allegorie also auf das Verhältnis Autor zu Leser und Kritiker? Das wollen wir nicht hoffen, zumal niemand weiß, wann die kriminelle Energie der Schreiber ins Reale übergreift und dann auch noch auf ihre bösesten Kritiker. Da seien Martin Walser und Bodo Kirchhoff vor.

In Michael Robothams Fall ist das Muster zumindest auf intelligent und unterhaltsam erzählte Weise gelöst. Der Psychotherapeut Joe O’Loughlin, der seit einigen Jahren an der Parkinson-Krankheit leidet, gerät, um einem Kollegen einen Gefallen zu tun, an eine angehende Selbstmörderin, die nackt und telefonierend auf einer Brücke steht, von der sie sich – trotz der Intervention des Psychologen – schließlich in den Tod stürzt. Ein Selbstmord, ganz klar, und kein Grund, sich schuldig zu fühlen, wie Ermittler und Ehefrau dem Psychologen zu verstehen geben. Dennoch bleibt O’Loughlin unruhig und beginnt nachzuhaken. Als nach kurzer Zeit eine weitere Frau – eine Kollegin des ersten Opfers, wir wissen das schon – denn die typografisch abgesetzte Binnensicht des Täters setzt uns davon frühzeitig in Kenntnis – einen noch skurileren Selbstmord begeht, wird auch die Polizei argwöhnisch und O’Loughlin wird ganz offiziell in die Ermittlung eingebunden.

Der Mordverdacht wird dabei immer konkreter, nach relativ schnellen Ermittlungen wird sogar der Täter identifiziert und schließlich – allerdings durch einen ziemlich banalen Trick – gefasst. Ein Drama im Familienkreis, aufgewertet durch einen Täter, der von britischen Militärs als Verhör- und Folterspezialist aufgebaut worden ist. Der Mann versteht es zu manipulieren, und mit dieser Fähigkeit – und seinen Kompetenzen als Schlosser, welcher Zufall – bekommt er Zugang zur Psyche jedes seiner Opfer und zu ihren Wohnungen, in denen er nach ihren Schwachstellen und anderen nutzbringenden Informationen sucht.

Ein Schatten, der Mann, der aber all zu konkrete menschliche Schwächen hat, etwa die Eifersucht und Kontrollwahn – worunter Militärs in Krimis fast immer leiden, „American Beauty“ hat einen ja darüber belehrt, was sich dahinter verbergen kann, es hat eben immer mit Sex zu tun.

Das Ganze spitzt sich schließlich zu, als der Täter endlich von seinen harm- und hilflosen Opfern lässt und sich einem ebenbürtigen Gegner, dem Psychologen, zuwendet. Auch dem kommt er dadurch bei, dass er dessen Familie aufs Korn nimmt, angeblich die Tochter entführt und die Frau dazu zu zwingen versucht, sich selbst für die Tochter zu opfern. Er verschärft die Situation noch dadurch, dass er am Ende O’Loughlin vor die Wahl stellt, seine Tochter oder seine Frau zu opfern, was nur fatal enden kann. Tut es natürlich am Ende doch nicht, aber die Ehe der O’Loughlins leidet doch heftig darunter. Was der Parkinson nicht schafft, gelingt eben den beruflichen Neigungen des Herrn.

Titelbild

Michael Robotham: Dein Wille geschehe. Psychothriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Kristian Lutze.
Goldmann Verlag, München 2009.
570 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783442311781

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