Technisch einfach besser

Der Frauenfußball kommt nicht nur beim Publikum, sondern auch zwischen Buchdeckeln an

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit den 1990er-Jahren eilen die deutschen Fußballerinnen von Erfolg zu Erfolg. Die Nationalelf heimst Europameisterschaft auf Europameisterschaft ein und zuletzt sogar zweimal in Folge die Weltmeisterschaft; zudem etliche olympische Medaillen, nur eine goldene fehlt. Noch, so darf man berechtigter Weise hoffen. Und auch die Erfolge von deutschen Frauenfußballvereinen wie dem 1. FFC Frankfurt, Turbine Potsdam und dem FCR 2001 Duisburg stehen dem nicht nach. Da nun bekanntlich nichts erfolgreicher ist als der Erfolg, der Frauenfußball eine wunderbare Sportart und zudem ausnehmend sympathisch, wundert es nicht, dass wenigstens die Spiele des Nationalteams sowie die UEFA-Pokalspiele der Vereine nicht nur immer häufiger (wenngleich letztere noch viel zu selten) im Fernsehen zu sehen und zu bejubeln sind, sondern dass auch immer mehr Bücher zum Thema Frauenfußball auf den Markt kommen. Unter ihnen Anleitungen für TrainerInnen, Autobiografien und kenntnisreiche Sachbücher für alle sowie einige hochspezielle Sammelbände für ein wissenschaftliches Fachpublikum.

Zu letzteren zählen der von Ulrike Kraus und Gregor Gdawietz unter dem Titel „Die Zukunft des Fußballs ist weiblich“ herausgegebene Band zum Frauen- und Mädchenfußball und das Buch „Frauen am Ball“, in dem die Herausgeberinnen Ulrike Röger, Claudia Kugelmann, Yvonne Weigelt-Schlesinger und Marit Möhwald „Analyse und Perspektiven der Genderforschung“ vorstellen. Der international besetzte Band wirft ein Licht auf die „Frauenfußballgeschichte(n)“ in verschiedenen Ländern (Gertrud Pfister), verdeutlicht, wie sich die Entwicklung des amerikanischen Frühfeminismus und des american football gegenseitig beeinflussten (Gerald Gems), beleuchtet die fußballerische „Geschlechterdifferenz aus sozialpsychologischer Sicht“ (Andrea E. Abele) oder untersucht die „Verletzungen in der Frauen-Fußballbundesliga“ (Hartmut Gaulrapp, Anne Becker und Heinrich Hess).

Für „mädchenspezifische Verletzungsprobleme bei Fußballtalenten“ interessiert sich auch Roland Naul in dem ein berühmtes Wort des Fifa-Präsidenten Josef Blatter zitierenden Band „Die Zukunft des Fußballs ist weiblich“. Die Beiträge dieses Buches gehen auf den ersten Frauen- und Mädchenfußballkongress zurück, ohne dass die Lesenden allerdings darüber informieren würden, wann und wo dieser Kongress abgehalten wurde. Die meist professoralen AutorInnen erörtern jedenfalls die Chancen, die der Fußball für Frauen und Mädchen bereit hält (Claudia Kugelmann), untersuchen den „wirtschaftlichen Aspekt des Frauenfußballs in Deutschland“ (Marie-Luise Klein) oder gehen den Möglichkeiten der Talentförderung von jungen Fußballerinnen außerhalb und innerhalb der Schule (Dietrich Kurz) auf den Grund.

Nicht wissenschaftlich, sondern ganz persönlich ist hingegen die Autobiografie der Fußballweltmeisterin Steffi Jones angelegt. Dabei kennt sie sich natürlich mindestens genauso gut in der Materie aus wie die WissenschaftlerInnen. Und dass die Mädchenteams, in denen sie in ihrer Jugend spielte, „vielleicht nicht ganz so schnell und aggressiv“ wie die gleichaltrigen Jungenmannschaften, „dafür aber technisch besser“ gewesen sind, glaubt man ihr aufs Wort, zumal man das auch für den Profibereich ohne weiteres unterschreiben kann. Vor allem aber verhalten sich die erfolgreichen Torjägerinnen beim Jubel nicht annähernd so affig wie ihre männlichen Kollegen.

Bewegt sich Jones jedoch einmal nicht auf dem Fußballplatz, und das tut sie in ihrer Autobiografie oft, kann man ihr nicht immer uneingeschränkt zustimmen. So propagiert sie etwa ein ziemlich konservatives Frauen- und Familienbild und lastet ihrer Großmutter an, sie habe sich „lieber auf die Schriftstellerei und das Schöngeistige“ konzentriert als ihren „eigentlichen Mutterpflichten“ nachzukommen. Und wenn sie ihre Mutter kommentarlos mit den Worten „Die Verantwortung für ein Kind zu tragen und selbst noch nicht ganz erwachsen zu sein macht dich von einem Tag auf den anderen um Jahre älter und reifer“, so ist das eine geradezu fatale Botschaft für heranwachsende Mädchen, die mit dem Gedanken liebäugeln, demnächst Mutter zu werden.

Einen Mittelweg zwischen wissenschaftlichen Analysen und autobiografischem Bericht schlägt das dickleibige Sachbuch „Frauenfußball – der lange Weg zur Anerkennung“ von Rainer Hennies und Daniel Meuren ein. Es bietet so ziemlich alles, was das Herz des Fans begehrt. An erster Stelle ist da vielleicht die reiche Bebilderung des Bandes zu nennen. Die Bildunterschriften lassen allerdings oft zu wünschen übrig. Etwa dann, wenn sie lediglich verraten, welches Team abgebildet ist, ohne die Frauen namentlich zu nennen.

Dafür aber wartet der Band mit etlichen Porträts der ‚Heldinnen‘ des grünen Rasens auf wie etwa Heidi Mohr, der „Schweigerin mit dem Torriecher“, Nia Künzer, dem „Gesicht des ersten Weltmeistertitels“ oder Tina Theune, der „erfolgreichste[n] Trainerin der Welt“ – und natürlich wird Birgit Prinz vorgestellt, die zutreffend als „Star wider Willen“ charakterisiert wird. Auch die besten ausländischen Spielerinnen werden nicht vergessen. Zuvorderst selbstverständlich Mia Hamm, der in ihrem Heimatland, den USA, sogar die Ehre zuteil wurde, auf einer Briefmarke abgebildet zu sein, und die zumindest hierzulande umstrittene brasilianische Ballkünstlerin Marta. Hinzu treten Interviews etwa mit der weltbesten Torhüterin Nadine Angerer, deren Kunststück, während einer Weltmeisterschaft nicht ein einziges Tor kassiert zu haben, wohl kaum je wiederholt werden dürfte. Weitere Interviews wurden mit der Erfolgsspielerin und -trainerin Silvia Neid, dem großen Förderer des Frauenfußballs Theo Zwanziger oder Ursula von der Leyen geführt. Wie kaum anders zu erwarten, gibt der eine oder die andere der Interviewten auch schon mal eine glatte Peinlichkeit zum Besten – eigentlich mehr der eine. Bernd Schröder, der Trainer der Potsdamer Torbienen erklärt unumwunden, dass er sich Siegfried Dietrich vom Konkurrenten 1. FFC Frankfurt „moralisch […] durchaus voraus“ fühlt. Der wiederum findet sich ganz im Einverständnis mit Steffi Jones (und dem Rezensenten), wenn er erklärt: „Frauenfußball ist etwas spielerischer und technischer, dafür logischerweise etwas weniger körperlich“ als das Spiel von männlichen Fußballmannschaften „und das Verhalten der Ladys auf dem Platz ist einfach sympathisch!“ Außerdem habe der Frauenfußball „das Image des sauberen und fairen Sports“ und man könne „mit der ganzen Familie ins Stadion gehen, ohne dass man ein Vermögen wie bei den Männern ausgeben oder irgendwelche Randale befürchten muss“. Lauter Punkte, die der Männerfußball nicht vorweisen kann. So sei es dem Frauenfußball gelungen, eine „eigene Marke“ zu werden, die ihren „eigenen Charme“ und ihre „eigene Zielgruppe“ hat. Das Autorenduo verweist auch auf Umfragen hin, denen zufolge Frauenfußball „deutlich differenziert zum Männerfußball bewertet“ wird und „vor allem bei Werten wie ‚fair‘, ‚ehrlich‘ und ‚sympathisch‘ deutlich vor dem Männerfußball“ liegt, was ja schließlich kein Wunder ist. Und sie vergessen nicht zu erwähnen, dass sich der DFB „zum Vorzeigeverband in Sachen Emanzipation entwickelt“ hat. Haben doch auch außerhalb des Spielfeldes Frauen fast alle Führungspositionen im Frauenfußball inne. Und siehe da: Diese Frauen sind erfolgreich. Und zwar nicht nur die deutschen. So kann es „kein Zufall mehr sein, dass alle sieben großen Turniere wie Olympische Spiele, Welt- und Europameisterschaften seit 2000 von Teams mit Trainerinnen gewonnen wurden, obwohl im Weltfrauenfußball noch immer die männlichen Coaches deutlich in der Überzahl sind.“

Natürlich kann man das Buch vorne aufschlagen und einfach bis zur letzten Seite durchlesen. Mehr Spaß macht es aber wohl, immer mal wieder eines der rund zehn Kapitel aufzuschlagen, dessen Thema einen gerade besonders interessiert. Sie informieren etwa über die Geschichte des deutschen Frauenfußballs, die Entwicklung der deutschen Vereine sowie der Nationalelf und über die bisherigen Welt- und Europameisterschaften. Beschlossen wird der Band mit einem Ausblick auf die Frauenfußballweltmeisterschaft 2011, die bekanntlich in Deutschland stattfinden wird. Eröffnet aber wird er mit einer Geschichte der Entstehung und der Entwicklung des Frauenfußballs in England. Manche dürften sich verwundert die Augen reiben, wenn sie erfahren, dass ein Frauenfußballspiel auf der Insel schon 1902 nicht weniger als 8.000 Zuschauende anlockte und 1920 sogar sage und schreibe 53.000. Das war den englischen Herren des Fußballsports aber wohl zu viel des Guten, denn im folgenden Jahr drohten sie ihren Mitgliedsvereinen den Ausschluss an, wenn sie weiterhin Frauen auf ihren Spielfeldern kicken lassen würden. Daran sollte sich in den folgenden Jahrzehnten nicht viel ändern. Auch hierzulande nicht. So untersagte der „Deutsche Fußballbund“ den angeschlossenen Vereinen nach dem Zweiten Weltkrieg, „Damenfußballabteilungen“ zu gründen. Ein Verbot, das erst in den frauenbewegten 1970er-Jahren aufgehoben werden sollte. Natürlich fand sich, wie stets, wenn es um die Diskriminierung der Frau geht, auch ein Mediziner, der die Ablehnung des Frauenfußballs ‚wissenschaftlich‘ zu begründen verstand. In diesem Fall handelt es sich um den Psychologen und Anthropologen Fredrik Jacobus Johannes Buytendijk, der sich 1953 nicht entblödete, in einer Studie zu erklären, es sei „noch nie gelungen, Frauen Fußball spielen zu lassen […]. Das Treten ist wohl spezifisch männlich, ob das Getreten werden weiblich ist, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ist das Nichttreten weiblich.“ Ein halbes Jahrhundert später trat Rudi Assauer, der langjährige Manager des FC Schalke 04 noch einmal nach: „So lange ich hier das Sagen habe, wird es keinen Frauenfußball geben.“ Das Sagen hat er glücklicherweise nicht mehr und den Frauenfußball gibt es schon lange.

Viel Grund zum Jubeln also. Doch bietet der Band auch einige Gelegenheiten, ein Pfeifkonzert anzustimmen. So etwa, wenn Hennies und Meuren sich nicht vorstellen können, dass die Frauenfußballbundesliga „den bekennenden Frauenfußballfan derart in den Bann ziehen [kann], dass er sich am Wochenende unbedingt die Ergebnisse besorgen muss“ oder, wenn die Autoren meinen, im Grunde würde sich kein Mensch so recht für den Frauenfußball interessieren, wenn der DFB die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender nicht genötigt hätte, die Spiele des Frauennationalteams zu übertragen, indem er ihnen androhte, ihnen andernfalls die Rechte der Übertragung von Spielen der Männernationalmannschaft zu verweigern. Das hat der DFB zwar tatsächlich getan – über das Interesse der Fans sagt das aber gar nichts aus. Auch darf man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, wenn man sich die Freude an dem Band nicht verderben will. So muss man etwa etliche „Frauenmannschaften“ hinnehmen.

Einen chauvinistischen Tiefpunkt erreicht der Band mit einem der wenigen Gastbeiträge. Matthias Kittmann, der als freier Sportjournalist vor allem für die „Frankfurter Rundschau“ tätig ist, hat ihn verfasst. Das Wort vom „Zickenkrieg“ ist da noch das harmloseste. Meint er doch, da „der hohe Anteil von Homosexuellen“ im Frauenfußball ein „offenes Geheimnis“ sei, sollten die betreffenden Spielerinnen endlich ihre vermeintlich völlig unbegründete „panische Angst“ ablegen und sich gefälligst outen. Lande ihr „Privatleben“ dann „mal auf dem „Boulevard‘“, sei dies doch schließlich „kein Problem“. Und wenn dann auch noch die heterosexuellen Spielerinnen auf Fragen nach dem Freund künftig nicht mehr mit „jene[r] berühmt-peinlichen Antwort: ‚Ich habe dafür keine Zeit.‘“ reagieren würden, könne Frauenfußball auch „ohne die verquaste Trikottausch-Nummer“ „sexy“ sein. Ein Blick durchs Schlafzimmerschlüsselloch muss offenbar einfach sein. Denn schließlich geht es ja nicht um den Sport, sondern um Sex.

Nein, nicht die ausweichenden Antworten der Spielerinnen sind peinlich, sondern die intimen Fragen der JournalistInnen, die wohl in diesen Fällen ganz überwiegend Journalisten sein dürften. Kaum zu glauben jedenfalls, dass sich dieser Mann mit dem Ehrentitel „CvD des FF-Magazins“ schmücken darf. Denn FF-Magazin steht für „Frauenfußball-Magazin“, der einzigen diesem Sport gewidmeten Zeitschrift im deutschsprachigen Raum, sieht man einmal von den „11 Freundinnen“ ab, einer jüngst aus der Taufe gehobenen vierteljährigen Beilage des Fußball-Magazins „11 Freunde“.

Trotz der genannten Kritikpunkte ist der Band, ebenso wie Jones’ Biografie, ein schönes Weihnachts- oder Geburtstagspräsent, mit dem sich (nicht nur) allen, die davon Träumen, eines Tages selbst als Spielerinnen im Nationalteam den Weltpokal in die Höhe zu stemmen, eine Freude bereiten lässt. Denn dass sie den testosterongetränkten Voyeuristen-Text Kittmanns ebenso wie so manch andere untergründig zumindest leicht misogyne Passage mit dem notwendigen kritischen Blick zu lesen verstehen, wird man ihnen durchaus zutrauen dürfen.

Titelbild

Steffi Jones: Der Kick des Lebens. Wie ich den Weg nach oben schaffte.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt, M. 2007.
221 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783596176410

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Ulrike Kraus / Gregor Gdawietz (Hg.): Die Zukunft des Fußballs ist weiblich. Beiträge zum Frauen- und Mädchenfußball.
Meyer & Meyer Verlag, Aachen 2007.
128 Seiten, 18,95 EUR.
ISBN-13: 9783898991667

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Kein Bild

Claudia Kugelmann / Yvonne Weigelt-Schlesinger / Marit Möhwald / Ulrike Röger (Hg.): Frauen am Ball. Analysen und Perspektiven der Genderforschung.
Feldhaus Verlag, Hamburg 2008.
83 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783880205055

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Titelbild

Daniel Meuren / Rainer Hennis: Frauenfußball. Der lange Weg zur Anerkennung.
Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2009.
382 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-13: 9783895336393

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