Abschied nehmen?

Don Winslow beschreibt den Versuch eines alternden Killers, lebend in den Ruhestand zu gehen

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

 

Alternde Auftragskiller – soweit es diese Gattung überhaupt gibt – stehen regelmäßig vor Problemen, wenn sie sich dem Ruhestand nähern. Zumeist lösen sich diese von selbst, weil sich intrigante Auftraggeber, Angehörige eines früheren Opfers, Cops oder sonstwer an ihnen vergreifen und jenes Schicksal zuweisen, das zuvor den Opfern der Veteranen passierte: Sie bringen sie um.

Das ist nicht weiter verwunderlich, denn dass der Tod ein blutiges Geschäft ist, können wir uns denken, und dass er dabei auch seine Handlanger nicht ausnimmt, ist allseits bekannt. Auffallend ist nur, dass uns jene Exponenten des Bösen und der kalt genossenen Gewalt mit ihren Bemühungen, ihre Haut zu retten und den wohl verdienten Killerruhestand zu genießen, ans Herz wachsen. Mit anderen Worten, sie werden sympathisch. Leon der Profi oder die Hauptfigur von Charyns „Paradise Man“ – die Profis betören durch ihr Bemühen, eines friedlichen Todes sterben zu dürfen.

In diesen Fällen funktioniert das sonst so übermächtige Zivilgewissen einfach nicht. Wenn ansonsten die Bösen und Ungerechten ihrem Schicksal nicht entgehen können – hier wünschen wir es ihnen. Und so schlimm ist das, was sie auf dem Kerbholz haben, nicht einmal. Man beachte nur die Eleganz und Schnörkellosigkeit ihrer Arbeit.

Frank Machianno ist ein solcher Profikiller, der für das, was er selbst nur verhalten San Diegos Mafia nennt, gearbeitet hat. Jetzt hat er sich zur Ruhe gesetzt, sich mit seiner Frau halbwegs ausgesöhnt, sorgt sich um seine heranwachsende Tochter und hat ein auskömmliches Verhältnis mit einer ehemaligen Tänzerin. Er betreibt ein Geschäft für Anglerzubehör auf dem Pier von San Diego. Außerdem verwaltet und besitzt er Immobilien, führt einen Fischhandel für Restaurants und ist überhaupt recht umtriebig. Ein ganz normaler Mann Anfang sechzig, der eben auch zwischendurch mal gern mit seinen „buddies“ abhängt und eine Welle reitet, wie sich das am Strand von San Diego für die Alten gehört (natürlich mit dem altersgemäßen Risiko). Immerhin gehören sie zur Generation des „Summer of Love“, an den sie sich immer gern erinnern, die alten Herren.

Aber Frank The Machine war einmal der kaltblütigste und erfolgreichste Profikiller der Gegend. Reingewachsen in den Job ist er zufällig, und rausgefunden hat er mit all der Seelenruhe, die ihm auch bei seinen Jobs zueigen war. The Machine eben. Ein berühmt-berüchtigter Mann, den die Alten fürchten und die Jungen bewundern. Eine Legende.

Diese Legende wird nun eines Tages in einen Hinterhalt gelockt und entkommt ihm nur mit Mühe, und nicht ohne seine vermeintlichen Mörder vorher umzubringen und ins Wasser zu werfen, auf dass sie in Mexico erst wieder auftauchen.

Einmal entkommen, gibt es für Frank kein Zurück mehr zum status quo ante. Er muss mitten hindurch durch das dichte Intrigennetz, das um ihn herum gesponnen ist. Denn die Auftraggeber des Mordes sind überhaupt und mitnichten klar.

Stück für Stück nimmt Frank den Faden auf, entkommt dabei den folgenden Mordversuchen an ihm mit viel Glück und noch größerem Geschick. Um den Auftraggebern auf die Spur zu kommen, rekonstruiert er die vergangenen Fälle, bei denen es möglicherweise noch eine Restschuld gibt, die nach Jahren nun getilgt werden soll.

Das ist sogar auffallend geschickt gemacht, denn in den Rückblenden, die den Text durchziehen, wird die Biografie des merkwürdigen Helden aufgenommen und geschildert. Sein Einstieg bei den Gangstern, sein Werdegang, die kritischen Momente und die zahlreichen kaltblütigen Morde, die Frankie Machine auf dem Kerbholz hat. Darin ist denn wohl auch die Ursache dafür zu suchen, dass die Stationen sich nicht wiederholen, sondern brav chronologisch erzählt werden können.

Dabei ist jedem Leser schnell klar, dass sich hinter den angeblichen mafiainternen Auseinandersetzungen mehr verbirgt, als der Erzähler preisgibt. Winslow gelingt es jedoch, die Frage nach den eigentlichen Strippenziehern lange unbeantwortet zu lassen und erst am Schluss des Romans zu verraten, und man ist ihm dankbar dafür, denn gerade hierdurch wird der politische Charakter seiner Geschichte verstärkt.

Dass das Modell ,Amerika‘ mehr oder weniger fest in den Händen der Mafia ist, ist eine der medialen Annahmen, der die zahlreichen Varianten des „Paten“ zu verdanken sind. Allerdings ist auch das wiederum ein Medienphänomen,. Und wenn Winslow sich in der Länge und Breite über den „Paten“ samt Ableger lustig macht, dann sei ihm das gegönnt.

Titelbild

Don Winslow: Frankie Machine.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Chris Hirte.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2009.
365 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783518461211

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