Alte Liebe rostet nicht

Elke Heidenreichs und Bernd Schroeders gelungener Versuch einer literarischen Paartherapie

Von Winfried StanzickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Winfried Stanzick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Alte Liebe rostet nicht, so sagt man. Vielleicht ist damit vor allem die alte Liebe zur Literatur, wie es bei Lore, der weiblichen Hauptfigur des vorliegenden Romans der Fall ist. Und weniger die zwischen Elke Heidenreich und Bernd Schroeder, den beiden immer noch miteinander verheirateten Autoren dieses Buches. „Wir hatten zwanzig glückliche Jahre“, so verriet Elke Heidenreich jüngst den Leserinnen der „Brigitte“, „fünf tapfere, zwei grauenhafte und jetzt unseren Frieden“.

Von der einstigen ehelichen Gemeinschaft ist Freundschaft geblieben und eine Art literarisches Arbeitsduo, das schon 2002 im ebenfalls im Hanser Verlag erschienenen Buch „Rudernde Hunde“ versucht hatte, die komplizierte Beziehung des Ehepaars in aufeinander bezogenen Geschichten zu beschreiben. Nun legen die beiden mit „Alte Liebe“ einen Roman vor, der ähnlich konstruiert ist und dem man abspürt, dass die einzelnen Teile getrennt geschrieben und dann harmonisierend, aber durchaus gelungen, zusammengefügt worden sind.

Jedes der über dreißig Kapitel ist zweigeteilt, wobei zunächst abwechselnd Lore oder Harry zu Wort kommen und dann ihr jeweiliger Bericht in einen Dialog zwischen den beiden wechselt. Diese Dialoge sind pfiffig und witzig geschrieben, voller Selbstironie auf die Lebensideale und -gewohnheiten der Alt-68er, zu denen Harry und Lore gehören.

Harrys große Liebe gilt seit Jahren seinem Garten und immer mal wieder einem schönen kühlen Weizenbier. Er ist seit einiger Zeit schon Rentner, nachdem er als angestellter Architekt im Bauamt irgendwann kaltgestellt wurde. Lore ist nach wie vor berufstätig als Bibliothekarin und gefällt sich seit vielen Jahren darin, Lesungen und Veranstaltungen mit berühmten Schriftstellern zu organisieren, und ist stolz darauf, sie alle persönlich zu kennen.

Doch Martin (Walser), den sie schon oft eingeladen hat, ist auch nicht mehr der Alte. Beim Italiener sackt er nach der Lesung in sich zusammen: „Das gab es früher nie. Ich war so glücklich mit meinen Dichtern“, meint Lore.

Auch an der sonstigen Literatur lässt sie kein gutes Haar. Daniel Kehlmanns Stil nennt sie „Tüftelliteratur“ und vor den vielen altersgeilen Männerfantasien à la Walser ekelt sie sich nur noch. „Mir macht mein Beruf keinen Spaß mehr. Die Bücher sind nicht mehr das, was sie einmal waren.“

Harry lässt das kalt, er konnte sich zum Leidwesen von Lore noch nie für Bücher begeistern und fühlt sich nun bestätigt. Die Debatte der beiden, die sich durch das ganze Buch zieht mit zum Teil köstlichen Dialogen, dreht sich um die Frage, ob das Paar gemeinsam zu der Hochzeit ihrer gemeinsamen Tochter Gloria fahren soll. Diese hat sich für ihre bereits dritte Ehe einen reichen Mann aus einer angesehenen, aber langweiligen und stockkonservativen Unternehmerfamilie geangelt. Harry und Lore finden, dass das mit Sicherheit wieder nichts werden kann und beginnen zunächst ungewollt, dann aber immer eifriger und entschlossener, entlang der Frage, ob sie fahren, beziehungsweise ob auch Harry mitkommen soll, eine schonungslose und auch ehrliche Reflexion über die vierzig Ehejahre, die sie nun schon hinter sich haben.

In dieser Reflexion kommen sie sich nun wieder näher. „Ich glaube, ich liebe dich noch“, sagt Lore an einer Stelle weiter hinten im Buch und Harry antwortet trocken, aber nicht unbegeistert: „Sag mir Bescheid, wenn du es genau weißt.“

Schlussendlich fahren sie beide zu der verhassten Spießerhochzeit und amüsieren sich miteinander köstlich über die ihnen fremden Gäste und deren Kultur. Sie erkennen mit jedem Kapitel mehr, was sie eigentlich noch immer verbindet, es wird klar, was ihnen beiden trotz aller Frustrationen und Enttäuschungen persönlicher, politischer und literarischer Art noch wichtig ist. Am Ende geschieht etwas, womit niemand wirklich rechnet, weder in Büchern noch in der wirklichen Welt, und der Leser bleibt zurück mit der vielleicht auch selbstkritischen Erkenntnis, dass man mit der Wiederentdeckung seiner „Alten Liebe“ wohl nicht zu lange warten sollte.

Man hat, etwa im „Spiegel“, das Buch des ehemaligen Paars Heidenreich/Schroeder biografisch interpretiert, obwohl die beiden allzu enge Bezüge zu ihrem Leben abgestritten haben. Es tut auch nichts zur Sache. Ein Autor hat das Recht zu fantasieren, auch mit realen Figuren. Und doch wäre dieses Buch mit den spritzigen und witzigen Dialogen, den vielen satirischen und ironischen Spitzen auf den Literaturbetrieb und den genialen Beobachtungen zu einem langen Zusammenleben zweier Alt-68er nicht so gelungen, könnten Elke Heidenreich und Bernd Schroeder nicht auf ganz persönliche Erfahrungen zurückgreifen. Kurz: Ein gutes, unterhaltsames Buch mit einem literarisch gelungenen Versuch authentischer Beziehungsarbeit.

Titelbild

Elke Heidenreich / Bernd Schroeder: Alte Liebe. Roman.
Carl Hanser Verlag, München 2009.
191 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-13: 9783446233935

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