Die Bürde der Hautfarbe

Über ZZ Packers beeindruckendes Debüt „Kaffee trinken anderswo“

Von Martin SpießRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Spieß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Qualität, auch wenn es zuweilen mal etwas länger dauert, setzt sich durch. Immer. Paradebeispiel dieser zugegebenermaßen etwas ausgeleierten Regel ist ZZ Packers Debüt „Kaffee trinken anderswo“, das gerade im Münchner A1 Verlag erschienen ist. Bereits 2003 ist die Sammlung von Short Stories in den USA herausgekommen, erst jetzt in Deutschland.

Protagonisten in den acht Geschichten sind schwarze Mädchen und junge Frauen (und ein Mann), die mit vielfältigen Problemen zu kämpfen haben: Sie finden keine Anerkennung bei ihrer Familie, keinen Trost in der Religion, keinen Job, keine Liebe. Das gilt beispielsweise für die Viertklässlerin Laurel in „Brownies“, deren Klasse im religiösen Sommercamp mit weißen Schülerinnen aneinandergerät, weil eine der Weißen eine schwarze Schülerin „Niggerin“ genannt hat. Das gilt für die 14-jährige Tia in „In Zungen reden“, die ihrem ultrareligiösen Haushalt entflieht, weil sie in einer fremden Stadt ihre Mutter sucht, nur um in den Armen des Dealers Dezi zu landen, der sie, obwohl doppelt so alt wie sie, verführen will. Es gilt für die Schülerin Chris in „Chris kommt“, die 1962 mitten in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung aufwächst, deren Pastor allerdings dagegen ist, dass sie zu den Sit-Ins geht. Sie solle sich nicht ihre Zukunft verbauen und solle ihre Eltern nicht belasten, indem sie ihnen die Kaution aufbürdet, die fällig würde, wenn Chris im Gefängnis landete. Und es gilt für den jungen Highschool-Schüler in „Die Ameisen des Ichs“, der seinen Vater aus dem Knast holt, nur um gegen seinen Willen beim „Million Man March“ in Washington zu landen, wo sein Vater nicht etwa den Reden zuhören, sondern exotische Vögel verkaufen will.

Die Welt in ZZ Packers Geschichten mutet anfangs stereotyp an, aber macht man sich bewusst, dass die Stereotypie der Geschichten amerikanische Realität war und ist, erübrigt sich dieser Eindruck. Und nicht nur das: Schnell wird dem Leser bewusst, welche Bürde Packers Figuren zu tragen haben. Und so werden sie ihm vertraut, es entsteht unwillkürlich Sympathie, wenn nicht sogar eine Empathie für die Protagonisten in „Kaffee trinken anderswo“. Protagonisten, die das unstillbare Verlangen danach verspüren, aufzubegehren: Gegen die immer bestehende Ungerechtigkeit der schemenhaft bleibenden Weißen, gegen die wenig Trost spendende Religion.

Manche der Figuren folgen diesem Drang gar nicht, andere nur zaghaft. Nie jedoch hat eine von ihnen die Kraft, das zu tun, von dem sie wissen, dass es das Richtige ist. Sie sind, um diese Erkenntnis kommt nicht nur der Leser, sondern kommen auch die Figuren selbst am Ende nicht herum, gefangen in ihrer Hautfarbe. Und aus der kann niemand ausbrechen. Packer lässt ihre Protagonisten selten gestärkt oder weise aus ihren Erfahrungen hervortreten, sondern entzaubert, angekommen in der nie sehr angenehmen Realität. Das ist wohl das Berührende der so still erzählten Geschichten: Dass sie alle in dieser unerträglich bedrückenden Melancholie enden, von der man dennoch nicht genug bekommt. Am Ende bleibt einem da nur atemlos zu sagen: So muss man Geschichten erzählen.

Titelbild

ZZ Packer: Kaffee trinken anderswo. Stories.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Giovanni und Ditte Bandini.
A1 Verlag, München 2009.
272 Seiten, 19,80 EUR.
ISBN-13: 9783940666093

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