Dialektisches Kindermenü – Bertolt Brechts Kinderbuch „Onkel Ede hat einen Schnurrbart“

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Um ein Kinderbuch, das pointierte Gedichte, wie sie die Brecht’sche Poetik auch sonst gern hervorgebracht hat, mit idiomatisch-feinen Bildern der Hamburger Künstlerin und Illustratorin Ursula Kirchberg verbindet, handelt es sich bei „Onkel Ede hat einen Schnurrbart“. Da macht es dem Erwachsenen, vielleicht noch in Schulzeiten heftigst mit Bertolt Brechts Werk beworfen und über ihn ausgefragt und abgeprüft, von der ersten Seite an wieder Freude, die hochstehenden, sich weit aus dem Fenster lehnenden Verse in ihrer dialektischen Bewegung anhand von Material zu verfolgen, das wohl zu dem einfachsten, aber auch nachvollziehbarsten gehört, das dieser je geschrieben hat. Und die Zusammengehörigkeit von Einfachheit und Nachvollziehbarkeit ist bei diesem Dichter nie eine Selbstverständlichkeit gewesen. Ist doch gerade das Schreiben von Kinderversen, wie sie hier vorliegen, wieder einmal ein Beleg dafür, dass es sich bei Brecht um keinen eindeutig marxistischen oder kommunistischen Jahrhundertdichter gehandelt haben kann, wie es die Mythen auch heute noch gern wissen wollen. Nein, diese umsichtigen Texte eignen sich gerade zum Vorlesen am Bett, auf einer Parkbank oder im stillen Garten. Und jedes (erwachsene) Kind, das dieses Buch in Händen hält, bekommt neben der ansprechenden Aufmachung schon aufgrund der haptischen Leichtigkeit vermittelt, wie wenig schwer im Magen ein bisschen dialektische Kost liegen kann. Sogar für die Kleinsten.

M.H.

Titelbild

Bertolt Brecht: Onkel Ede hat einen Schnurrbart. Zwölf Kinderlieder. Mit Bildern von Ursula Kirchberg.
Insel Verlag, Frankfurt a. M. 2006.
24 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-10: 345817320X
ISBN-13: 9783458173205

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch