Terror stört die Bürgerruhe

Das Tagebuch des wohlhabenden Bürgers Célestin Guittard aus dem revolutionären Frankreich

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Gestern wurde ein Dekret erlassen, durch das der König beauftragt wird, für ganz Frankreich Maschinen anfertigen zu lassen – Guillotinen –, mit denen der Kopf abgetrennt wird. Es wird nicht mehr gehängt.“ Im Nachhinein kann man das nur noch als einen Zynismus der Geschichte deuten: Denn nur wenige Monate später, am 21. Januar 1793, steigt der König selbst auf das Schafott, das er hat bauen lassen müssen, und verliert seinen Kopf. Es ist der Beginn des Großen Terrors, der ein paar Jahre lang Frankreich regiert, bis die Anführer des Terrors, Robespierre und Saint Just, selbst hingerichtet werden. Da war Célestin Guittard dann doch froh. Denn Terror stört nun einmal die Bürgerruhe.

Guittard war ein gutsituierter Pariser Bürger, dessen Tagebuchaufzeichnungen jetzt in einer Auswahl auf Deutsch vorliegen. Im Alter von 67 Jahren schrieb er auf, was diese außergewöhnlichen Epoche bot. Oft nur Alltäglichkeiten, wie das Wetter, das er jeden Tag penibel notierte, die Stimmung in Paris, die Gesundheit, Theater- und Museumsbesuche, Freundschaften und seine Liebesbeziehung zu einer sehr hübschen und nur halb so alten Frau Dasel. Aber es gibt auch Berichte über Inflation und Teuerungsraten, Jakobiner-Versammlungen und die ersten öffentlichen Gottesdienst der Protestanten, die Einführung der Brotkarten und die Ausgabe von Personalausweisen. Er zitiert Briefe von Verwandten aus den französischen Kolonien in Übersee, über die fast täglichen Unruhen in den Vorstädten und in der Cité. Den größten Raum nimmt die detaillierte Wiedergabe von Dekreten ein, die ständig neu gefasst und geändert wurden. Vor allem die Abschaffung des Malteser Ordens und aller weiterer Orden im Jahr 1791, die erste Verfassung auf Grundlage der Menschenrechte, auf die man einen Eid schwören musste, selbst der König, mit roter Jakobinermütze auf dem Kopf, was Guittard mit leiser Genugtuung notiert.

Es ist ein fragmentarischer Einblick in eine spannende Zeit, die man hier unreflektiert widergespiegelt bekommt. Nur ein Name fehlt, den Guittard überhaupt nicht wahrgenommen hat: Napoleon Bonaparte, der die Revolution beenden wird. Am Pfingstsonntag 1796 bricht das Tagebuch unvermittelt ab, ob durch den Tod Guittards oder durch ein zufälliges Ereignis, weiß man nicht.

Titelbild

Célestin Guittard: In Pantoffeln durch den Terror. Das Revolutionstagebuch des Pariser Bürgers Célestin Guittard.
Kommentiert von Volker Ullrich. Herausgegeben von Raymond Aubert.
Übersetzt aus dem Französischen von Claudia Preuschoft.
Eichborn Berlin, Berlin 2009.
430 Seiten, 32,00 EUR.
ISBN-13: 9783821862224

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