Abgesang

Das Krimijahrbuch ist schon wieder am Ende

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es hat verschiedene Anläufe gegeben, eine jährliche Übersicht über das Krimigeschehen in Deutschland zu geben und dem Genre zugleich eine Plattform zu bieten, auf der Kritiker, Autoren und Wissenschaftler gleichermaßen zu Wort kommen können. Und das alles in Druckform, als Zeitschrift oder Jahrbuch. Der nunmehr letzte Versuch ist nun nach nur vier Jahren wiederum zu Ende: Das Krimijahrbuch 2009 war die letzte Ausgabe. Das 2006 einigermaßen ehrgeizig beim Nordpark Verlag gestartete Projekt, das zwischenzeitlich zu Pendragon abgewandert war, wird, wie der Gründungsherausgeber Dieter Paul Rudolph mitteilt, eingestellt. Das Krimijahrbuch 2010, das sich intensiv mit dem gehaltvollen Krimi-Jahr 2009 hätte beschäftigen sollen, wird nicht mehr erscheinen. Herausgeber und Verlag geben das Projekt auf. Das übliche Fazit also? Dem Erfolg des Genres insgesamt steht der Misserfolg seiner Reflexions- und Verständigungsmedien gegenüber. Das scheint immer noch zuzutreffen. Zumindest bestätigt der Misserfolg dieses Projektes das, was wir immer schon dachten.

Dabei war das Krimijahrbuch durchaus informativ und sinnvoll angelegt. Nachdrucke und Originalbeiträge zu den verschiedenen Sparten des Krimis, Buch, Film, TV, Hörspiel wurden mit theoretischen und historischen Beiträgen verbunden. Porträts von Krimimachern ergänzten die Bände. Sachliche Hinweise zum Krimigeschehen des Vorjahres ergänzten den Service, den die Herausgeber Christina Bacher, Ulrich Noller und Dieter Paul Rudolph den Krimiinteressierten zu leisten bereit waren. Anscheinend war das am Ende doch der Mühe zu viel, zumindest in Relation zum feedback, das die Herausgeber für ihre Anstrengung erhielten. Allerdings ist dieser Eindruck nur zum Teil zutreffend. Denn im Netz scheinen die Plattformen, die sich mit dem Krimi beschäftigen, wenigstens so viel Erfolg zu haben, dass sie bestehen bleiben. Allerdings sind die Gestehungskosten im Netz andere.

Websites und Mailingdienste wie Alligatorpapiere füttern ihre Klienten zuverlässig mit neuen Informationen, Links und Hinweisen. Blogs von Dieter Paul Rudolph, Thomas Wörtche, Tobias Gohlis, Axel Bußmer oder Joachim Linder kommentieren das Geschehen rund um den Kriminalroman engagiert und kompetent, wie man es von ihnen kennt.

Auch in der Forschung tut sich einiges in den letzten Jahren. Zwar hat die Umstellung der Studiengänge dazu geführt, dass die Ausdifferenzierung der Literaturwissenschaften in der Lehre weitgehend zurückgenommen wird. Vor lauter systematischer Grundausbildung kommen Texte jenseits des Kanons nicht mehr wirklich vor, es sei denn, sie können mi besonderen didaktischen Profilen aufwarten, so dass zum Beispiel Lehramtsstudierende darauf anspringen.

Dennoch sind in den letzten Jahren international eine Reihe von Studien und Sammelbänden erschienen, die weit über die Fan-Schreibe hinausgehen und den Krimi in seiner Bedeutung für die Gesamtkultur und in seinen Bezügen zu den gesellschaftlichen Diskussionen lokalisieren. Gesammelt findet man sie auf einer Webseite (www.alligatorpapiere.de) unter dem Stichwort Przybilkas Sekundärliteratur, zusammengestellt von Thomas Przybilka.

Einige Hinweise: Elfriede Müller und Alexander Ruoff etwa haben sich intensiv mit der Entwicklung des „Neopolar“ genannten französischen Krimis nach 1968 beschäftigt, dessen politische Ausrichtung deutlich nach links zeigt und dessen literarische Konzepte am amerikanischen hard-boiled Krimi orientiert ist (Elfriede Müller, Alexander Ruoff: Histoire noire. Geschichtsschreibung im französischen Kriminalroman nach 1968. Bielefeld: Transcript 2007). Der Hardboiled Krimi amerikanischer Herkunft selbst hat mittlerweile eine Reihe von Studien über sich ergehen lassen. Zuletzt die von Lewis D. Moore, der einen Überblick über die Geschichte des amerikanischesten aller Krimigenres gab (Lewis D. Moore: Cracking the Hard-Boiled Detective. A Critical History from the 1920s to the Present. Jefferson: Mac Farland & Company 2006). Neuerdings ist zudem eine Studie von Leonard Cassuto erschienen, der den Zusammenhang zwischen den hartgesottenen Krimi-Jungs und dem sentimentalen Familienroman des 19. Jahrhunderts herstellt (Leonard Cassuto: Hard-Boiled Sentimentality. The Secret History of American Crime Stories. New York: Columbia Press 2009). Sentimental und hartgesotten zugleich? Dass Zyniker eigentlich Romantiker sind, haben wir immer geahnt, hier bestätigt es sich nochmals.

Dass Carsten Würmann und Bruno Franceschini vor einigen Jahren immer noch lesenswerte Untersuchungen zum Krimigenre vorgelegt haben, sei erlaubt zu erwähnen, auch wenn der Verfasser dieser Zeilen einer der Beiträger war (Verbrechen als Passion. Neue Untersuchungen zum Kriminalgenre. Hrsg. von Bruno Franceschini und Carsten Würmann. Berlin: Weidler Buchverlag 2004).

Ganz besondere Aufmerksamkeit verdient aber die von Mirko Schädel zusammengestellte „Illustrierte Bibliographie der Kriminalliteratur im deutschsprachigen Raum“, die den Zeitraum von 1796 bis 1945 umfasst. Ein zweibändiges, voluminöses Werk, das ungemein aufwändig und sorgfältig produziert worden ist. Ein Schmuckstück (Mirko Schädel: Illustrierte Bibliographie der Kriminalliteratur im deutschsprachigen Sprachraum von 1796-1945. Unter Mitwirkung von Norbert N. Bloch. 2 Bde. Butjadingen: Achilla Press 2006).

Interesse am Krimi ist also da, nur für ein Jahrbuch reicht es nicht. Das ist schade, aber am Ende gibt es immer nur zwei Möglichkeiten zu prüfen, ob sich eine Anstrengung lohnt oder nicht, entweder ziehen die Macher aus der Produktion soviel Befriedigung, dass es ihnen reicht, auch wenn sich keiner sonst groß drum kümmert. Oder es gibt genügend Leute, die sich dafür interessieren, um es wirtschaftlich interessant zu machen. So gesehen ist das Urteil über das Krimijahrbuch klar. Durchgefallen. Schade, oder auf ein Neues?

Titelbild

Dieter Paul Rudolph / Ludger Menke / Christina Bacher / Ulrich Noller (Hg.): Krimijahrbuch 2007.
Nordpark Verlag, Wuppertal 2007.
339 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783935421201

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Christina Bacher / Ulrich Noller / Dieter Paul Rudolph (Hg.): Krimijahrbuch 2008.
Nordpark Verlag, Wuppertal 2008.
298 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783935421287

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Dieter Paul Rudolph (Hg.): Krimijahrbuch 2009.
Pendragon Verlag, Bielefeld 2009.
12,90 EUR.
ISBN-13: 9783865321190

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