Südseeträume der anderen Art

Lukas Hartmann begibt sich mit dem Maler John Webber und Captain Cook auf eine Reise „bis ans Ende der Meere“

Von Norbert KugeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Norbert Kuge

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer heute in die Südsee reist, hat andere Erwartungen und Träume und vor allem reist er völlig anders als der Maler John Webber, der sich 1776 in Plymouth mit Captain Cook zu dessen dritter Südsee-Expedition einschiffte. Lukas Hartmann erzählt in seinem Roman von dieser Reise, in deren Verlauf Captain Cook umkommt und auch John Webber, der als Maler angeheuert wurde, fast sein Leben verliert.

In diesem gut recherchierten und spannend erzählten Roman gelingt es dem Autor, sowohl das Zeitkolorit als auch die Fragen der Zivilisationskritik detailgenau in den Gesprächen und Berichten aufscheinen zu lassen. Dies erreicht er, indem er zwei Stimmen– die des mitreisenden Erzählers und die Webbers selbst– mittels seiner überlieferten Notizbücher, einander ergänzend erzählen lässt. Der Kunstgriff des überlieferten Notizbuches verleiht diesen Passagen Authentizität.

Der inhaltliche Strang ist aber nur die eine Seite des Buches. Daneben fasziniert ebenso die Schilderung der vielen existentiellen Erfahrungen dieser Reise: die Einsamkeit in den Weiten des Meeres, das schwierige Leben an Bord, das Aufeinandertreffen von Natur und Zivilisation, von Kreatürlichkeit und westlicher Bildung, von sexuellen Begierden und Handlungen zwischen Matrosen und Einwohnern, anmaßende Entdecker und nicht zuletzt auch das Scheitern Cooks, der in einem durch ihn provozierten Kampf ums Leben kommt.

Über den historischen John Webber ist kaum etwas bekannt. In London geboren, wohin sein Vater, ein Schweizer Bildhauer, ausgewandert war, wuchs er in Bern auf und erlernte die Landschaftsmalerei. Mit 25 Jahren kehrte er nach England zurück und wurde für die dritte Expedition Captain Cooks als Schiffsmaler verpflichtet. Umso erstaunlicher ist es, wie es Hartmann gelingt, mit diesen wenigen bekannten Fakten ein überzeugendes Porträt Webbers zu zeichnen.

In der Person Webbers zeigt er die grundsätzlichen Probleme und die Bedeutung dieser Expeditionen. Ziel und Zweck der Expedition war für ihn nicht so fraglos richtig wie für Cook oder die britische Admiralität. Er sieht durchaus, dass die Wahrheit in den Berichten der Admiralität auf der Strecke bleibt und den Ureinwohnern Unrecht geschieht. Er selbst begegnet auf der Reise seiner großen Liebe, was sicher zu seinem Verständnis für die Einwohner beiträgt. Zu einem Happy End kommt es aber auch bei ihm nicht. Mit vielen neuen Erfahrungen kehrt Webber zwar lebend von der Fahrt zurück, erholt sich jedoch nie mehr von den Strapazen dieser Reise und stirbt im Alter von nur 42 Jahren.

Sein Porträt des Captain Cook wird von dessen Witwe in England zurückgewiesen. „Das ist nicht mein Mann“, so Mrs. Cook im ersten Satz des Romans. Wer sich selbst ein Bild von dem heute zu Recht so berühmten Captain Cook, von den Bildern John Webbers und den vielen Exponaten der Reisen Cooks machen will, sollte sich die momentane Ausstellung in Bonn nicht entgehen lassen. Bis Ende Februar 2010 wird in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland die beeindruckende Exposition „James Cook und die Entdeckung der Südsee“ gezeigt. In ihr kann man viele Exponate, auch von dieser dritten Expedition, bewundern, darunter über ein Dutzend zum Teil großformatige Bilder John Webbers. Wer Interesse an einem spannenden historischen Roman über eine faszinierende Entdeckungsreise mit vielen noch heute aktuellen Problemen hat, kommt mit Hartmanns Buch auf seine Kosten.

Titelbild

Lukas Hartmann: Bis ans Ende der Meere. Die Reise des Malers John Webber mit Captain Cook ; Roman.
Diogenes Verlag, Zürich 2009.
486 Seiten, 21,90 EUR.
ISBN-13: 9783257066869

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

James Cook und die Entdeckung der Südsee. Ausstellungskatalog.
Hirmer Verlag, München 2009.
276 Seiten, 39,90 EUR.
ISBN-13: 9783777421216

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch