Eine kleine Räuberpistole in altertümelndem Stil

Über Andrea Camilleris Caravaggio-Roman „Die Farbe der Sonne“

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nein, ein Roman ist es nicht. Eher eine kleine Erzählung, ein Gespinst fast nur, das man in ein, zwei Stündchen gelesen hat. Nicht ohne Charme, aber doch arg leichtgewichtig. Wie das kommt, erzählt Camilleri selbst auf den letzten Seiten: Dass er für eine Caravaggio-Ausstellung um einen Text gebeten wurde, der ihm viel zu lang geriet. Gekürzt kam er in den Katalog, die ausführliche Fassung ist jetzt als Buch erschienen.

Dabei fängt die Geschichte spannend und ironisch an: Bei einem Aufenthalt in Sizilien bekommt der Erzähler einen Zettel mit einer Telefonnummer zugesteckt, auf dem steht: „Bitte von einer öffentlichen Telefonzelle aus anrufen.“ Geheimnisvoll und mit einigem Hin und Her lässt sich Camilleri schließlich, mit verbundenen Augen, zu einem Landhaus kutschieren, in dem ihm ein Herr eine alte Handschrift zu lesen gibt und eine uralte Camera obscura aus Holz und Leinwand zeigt: Beides soll von Caravaggio stammen.

In dieser Handschrift erzählt Caravaggio von seiner seelischen Krankheit, die ihn immer wieder zu Wutausbrüchen und Gewalttaten hinriss, und von einer seltenen Augenkrankheit, die ihn fast alles wie durch einen düsteren Nebel und oft wie in tiefer Nacht sehen ließ. Und deswegen hat er auch in vielen seiner Bilder nur wenige Personen ins Licht gerückt, hat die Hintergründe in tiefstes Schwarz getaucht.

In einem altertümelnden Stil berichtet Camilleris Caravaggio von seinen Erlebnissen: „Minniti hatte dem Protonotarius nichts von meinem Unglücke auf Malta erzählt, und ergo empfing mich selbiger mit viel Ehr’, welche gar einem Ritter zukommen möcht’. Alldieweil er Nachricht von mir über den Schiffbruch erfrug, verwunderte ich mich gar sehr, sintemalen ich von einem Schiffbruche nichts gewusst.“ Nach einem Totschlag musste Caravaggio aus Rom fliehen und fand in Malta Unterschlupf, wo er sich zum Ritter schlagen ließ. Er kämpfte gegen Intrigen, wurde der Hexerei beschuldigt und in den Kerker geworfen, konnte fliehen und kam nach Sizilien, wo er unter anderem „Die Bestattung der heiligen Lucia“ malte. Eine spannende Räuberpistole, mit vielen persönlichen und intimen Details, auch über seine Bilder und seine Weltsicht.

„Die Farbe der Sonne“ ist aber nur die Fingerübung eines berühmten Autors, die wenig von dem Flair und den Charakterzeichnungen offenbart, die seine Romane sonst so überaus lesbar machen.

Titelbild

Andrea Camilleri: Die Farbe der Sonne. Ein Caravaggio-Roman.
Übersetzt aus dem Italienischen von Moshe Kahn.
Kindler Verlag, Berlin 2010.
126 Seiten, 16,95 EUR.
ISBN-13: 9783463405322

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