Es kann sich nur um einen Irrtum handeln

„Die Bienenkönigin“ von Gloria Vanderbilt ist angeblich ein „Roman über die Begierde“

Von Frauke SchlieckauRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frauke Schlieckau

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Beobachtet man die Entwicklung der Buchbranche, dann braucht man nicht einmal besonders aufmerksam sein, um zu erkennen, dass eine Vielzahl der Verlage gerade in der letzten Zeit verstärkt auf prominente Autoren oder zumindest solche setzen, die einen außergewöhnlichen, sprich gut verkäuflichen Lebenslauf vorzuweisen haben. Eine gute Geschichte allein, so scheint es, reicht oftmals nicht mehr aus, um den Leser vom Buchkauf zu überzeugen. Gloria Vanderbilt müsste demnach, unabhängig von ihrem qualitativ nicht sehr hochwertigen Roman „Die Bienenkönigin“ der Traum eines jeden Verlegers sein – denn die Biografie der achtzigjährigen Autorin ist so außergewöhnlich, dass sie jeden Roman in den Schatten stellt.

„Gloria Vanderbilts glamouröses, turbulentes Leben begann damit, dass sie in eine Familie hineingeboren wurde, wie sie glamouröser und turbulenter kaum hätte sein können.“ Die Vanderbilts waren eine einflussreiche amerikanische Dynastie, Gloria wurde mit fünfzehn Jahren nach ihrem Debüt in der High Society von der Zeitschrift „Harpers Bazar“ zum nächsten Glamour Girl erkoren. Nach zwei gescheiterten Ehen zog es Gloria Vanderbilt nach New York, wo sie mit der Malerei und Schauspielerei begann. „Die Zeit zwischen ihren Auftritten vertrieb sie sich mit neuen Affären. Einer ihrer Liebhaber war Marlon Brando, der allerdings (wie es von einem Mann, der auf seinem Nachttisch eine dreißig Zentimeter große Fotografie seiner selbst stehen hat, wohl auch kaum anders zu erwarten ist) am Tag danach nicht anrief. Gloria Vanderbildt tröstete sich mit Gene Kelly. Dann platzte Frank Sinatra, frisch von Ava Gardner getrennt, in Vanderbildts Leben.“

Statt Sinatra ehelichte sie jedoch wenig später den Regisseur Sidney Lumet. Gemeinsam mit ihrem Eheman gab sie unzählige Parties, mittels denen sie einen gewissen Ruhm erlangte. Unter ihren Gästen war auch Marilyn Monroe, die „kaum zu erkennen in ausgeleierten Pullovern und bequemen Hosen, nur mit etwas Vaseline auf den Augenliedern – am Klavier vergeblich versuchte, sich an den Text von „Diamonds are a girls best friend“ zu erinnern. Auch Truman Capote ließ sich im Hause Vanderbilt blicken, ihm diente Gloria 1958 als Vorlage für seine wohl berühmteste Figur, die Holly Golightly aus „Frühstück bei Tiffany“.

Vanderbildts bei Kiepenheuer erschienener Roman „Die Bienenkönigin“ ist allerdings im Gegensatz zum Leben der Autorin nicht weiter der Rede wert. Der angebliche Schlüsselroman erzählt „in freizügiger Art“ von den „Lustspielen eines Stararchitekten, seiner gefühlskalten Ehefrau und seiner Mätresse, der geheimnisvollen, Bienenkönigin‘. Und wenn die „New York Times“ über den betulich-kitschigen und eindimensionalen Roman urteilt, es handele sich hier um das „heißeste Buch des Jahres“ kann es sich dabei schlicht und ergreifend nur um einen Irrtum handeln.

Nicht nur ist die simple Story wenig mehr als eine Aneinanderreihung erotischer Abenteuer, darüber hinaus sind auch die Charaktere nichts anderes als skizzenhaft angelegte Sterotypen, deren sexuelle Ausschweifungen ebenso klischeehaft und platt beschrieben werden, wie das exotisch-luxuriöse Setting, in dem Gloria Vanderbilt das Geschehen ansiedelt. Da hilft es tatsächlich auch nicht mehr, dem ganzen einen märchenhaften Anstrich zu verleihen und ein Einhorn munter durch die Buchseiten hüpfen zu lassen. Selbst die im Ansatz eingearbeiteten Motive die das Buch durchziehen, also Janusköpfigkeit, Sado-Masochismus, Sirenen und Bienen, sind nicht in der Lage, das Ganze mit mehr Tiefe zu versehen oder ihm eine gewisse literarische Qualität zu verleihen. Wer aufgrund der wahrlich interessanten Figur der mittlerweile achtzigjährigen Vanderbilt, die hinter „Die Bienenkönigin“ steht, zu dem Roman greift, sollte ihn also getrost zurücklegen und stattdessen ihre Biografie nehmen. Wer dennoch versucht ist „Die Bienenkönigin“ zu lesen, den sollten Textpassagen wie diese eines besseren belehren: „Nadine und Rowena (Rowena!), deren exquisite Körper von paillettenbesetzten Gazeschlieern umhüllt waren, trugen sonst nichts am schönen Leib als juwelengeschmückte Stringtangas, in Nadines dunkle Locken waren Perlenstränge geflochten, Rowenas maisgelbe Mähne funkelte, mit Diamentenstaub besprenkelt. […] Und da standest Du im Magischen Kreis, breitetest die Arme aus, als ich vom Einhorn sprang, um an Deine Seite zu treten. Mit formvollendeter Geste öffnetest Du eine schwarze Lackschatuelle, bemalt mit weißen Pfautauben und Blüten, um einen Ring herauszunehmen, mit einem Stein so groß wie ein Zuckerstück und blau wie meine Augen. Den stecktest DU mir auf den Mittelfinger der linken Hand und sagtest: […] Meine Bienenkönigin.“ Die Rezensentin spart sich an dieser Stelle jeden weiteren Kommentar.

Titelbild

Gloria Vanderbilt: Die Bienenkönigin. Roman einer Begierde.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Teja Schwaner.
Gustav Kiepenheuer Verlag, Berlin 2010.
133 Seiten, 16,95 EUR.
ISBN-13: 9783378006980

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