Des Künstlers rechte Hand

Über Samantha Peales Roman „Die amerikanische Malerin Emma Dial“

Von Frauke SchlieckauRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frauke Schlieckau

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Emma Dial, Anfang dreißig, arbeitet im siebten Jahr als Assistentin für Michael Freiburg, einen der berühmtesten zeitgenössischen Maler. Aus dem Job, den sie ursprünglich angenommen hat, um sich in den Anfängen ihrer eigenen Künstlerkarriere finanziell über Wasser zu halten, ist eine Vollbeschäftigung geworden – rund um die Uhr fertigt sie für ihren Chef nach dessen Vorstellung seine modernen Gemälde an. Ihr eigenes Atelier verwaist derweil völlig, und Emma scheint in ihrem Job als Assistentin – eigentlich ein klassischer Einsteigerjob in der Kunstbranche – hängenzubleiben.

Als Emma jedoch Michaels Freund und schärfsten Konkurrenten Philip Cleary kennenlernt, der, was sein künstlerisches Können betrifft, immer schon ihr Idol war, erwacht nicht nur ihr Interesse für diesen Mann, sondern auch der Wunsch, wieder selbstständig zu malen. Mit „Die amerikanische Malerin Emma Dial“ hat Samantha Peale, die selbst Kunst an der School of Art in Chicago studierte, ihre Heldin nicht nur in das trendige Setting der New Yorker Kunstszene gesetzt, wo sie zwischen Sammlern, Kunsthändlern und anderen Künstlern, zwischen Bars, Ateliers und Ausstellungseröffnungen hin und her wechselt, sondern auch die Entwicklungsgeschichte einer Frau konzipiert, die zwischen Talent und Selbstüberschätzung eines Mannes bedarf, um zu erkennen, was eigentlich in ihr steckt.

Das besondere an dem Roman ist, dass die Liebesgeschichte zwischen Assistentin und Künstler nicht mehr als ein Beiwerk ist. Philip Cleary kommt nur die Funktion eines Katalysators zu, der dazu beiträgt, die Veränderung in Emmas Leben zu beschleunigen. Die Liebe zeigt sich hier in ihrer bildenden und zur Weiterentwicklung anregenden Funktion. Ein klassisches Motiv, dass Peale dabei hilft, ihre Figur von einer unsichtbaren Assistentin zu einer eigenständigen Malerin werden zu lassen. Das Emma Philip begehrt, regt sie dazu an, mehr über ihn lernen zu wollen, seine Arbeit zu begreifen, es ihm gleichzutun.

In dem Peale den Fokus auf die innere Auseinandersetzung Emmas und ihre Aufenthalte in den Ateliers legt, die sie, genau wie die Bilder die Emma malt, detailliert beschreibt, gelingt es ihr, der Oberflächlichkeit des Emma umgebenden Kunstzirkus etwas entgegenzusetzen. Dass Peale, die selbst vier Jahre als Assistentin von Jeff Koons gearbeitet hat, die Branche nicht nur von außen kennt, merkt man dem Roman dabei nicht nur an, sondern es kommt ihm auch mehr als zu Gute.

Als aufmerksame Beobachterin schildert Peale auch die Beziehung zwischen Emma und ihrem Chef, dessen unermessliches Ego mit dem Preis seiner großformatigen Landschaftsbilder wächst – die jedoch alle ausschließlich von Emma gezeichnet werden.

Michael Freiburg, der selbst nicht einmal mehr das Bedürfnis hat zum Pinsel zu greifen, sondern sich auf das Können seiner Assistentin verlässt, ist hier nur die Prototyp eines durchaus gängigen Typus des erfolgreichen Künstlers. Das Emma als talentierte Künstlerin sieben Jahre lang hinter diesem oft selbstgefälligen und kindischen Mann verschwindet, der mit ihr schläft um Inspiration für seine Bilder zu bekommen, der oftmals rücksichtslos ist, faul und bequem, während Emma alles in jedem Stil malen kann, zeigt, dass es mehr braucht als nur Talent, um ein anerkannter Maler zu werden. Persönlichkeit zum Beispiel, an der es der nägelbeißenden, zögerlichen Emma wiederum eindeutig mangelt, so dass die Geschichte in einem weniger interessanten Setting mitunter langweilig werden könnte. Eingebunden in das Umfeld der zeitgenössischen Kunstszene ist der gut geschriebene Roman aber für alle, die sich für diese Branche interessieren, eine unterhaltsame Lektüre, denn „Die amerikanische Malerin Emma Dial“ gehört zu den wenigen Romanen, die die Kunstbranche aus der Sicht einer Assistentin schildern. Das Buch wirft so einen Blick auf einen Berufszweig hinter den Kulissen des Betriebes, von dem die Öffentlichkeit oft nur wenig mitbekommt, der aber bereits eine Jahrhunderte währende Tradition aufweist. Denn nicht erst seit dem Einbruch des 21. Jahrhunderts ist der berühmte Künstler oftmals nur noch Ideen- und Namensgeber, während die tatsächliche Arbeit oftmals von einer Armada ausgebildeter Hilfskräfte angefertigt wird. Bereits Renaissancekünstler wie Michelangelo haben auf diese Methode zurückgegriffen und sich von ihren Assistenten zumindest Teile ihrer Werke fertigen lassen.

Titelbild

Samantha Peale: Die amerikanische Malerin Emma Dial. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Robin Detje.
Berlin Verlag, Berlin 2010.
304 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783827008954

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