Pessimismus, Skeptizismus und Virtuosität

Ein Gespräch Herta Müllers mit Renata Schmidtkunz als Buch und CD

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Drei Tage vor der Bekanntgabe der LiteraturnobelpreisträgerIn für das Jahr 2009 saß Herta Müller in einem Aufnahmestudio des Österreichischen Kultursenders Ö1 und sprach mit Renata Schmidtkunz. Zentrales Thema war – wie könnte es anders sein – Müllers kurz zuvor erschienenes Buch „Die Atemschaukel“. Denjenigen, welche die Sendung verpasst haben, bietet sich nun die Möglichkeit, das Gespräch nachzulesen. Denn der Klagenfurter Wieser Verlag hat es als kleines Bändchen unter dem Titel „Ich glaube nicht an die Sprache“ gedruckt und veröffentlicht. Beigegeben ist eine Audio-CD des Gesprächs.

Auf die Idee der Gestaltung des „Buch[es] mit dem doppelten Umschlag“, aus dessen „aufklappbare[m] und doch nicht flattrige[m] Schutzumschlag“ sich die CD leicht herausnehmen lässt, wobei das Buch dennoch wie ein Buch aussieht, ist eine ureigene Entwicklung des Verlags, auf die Lojze Wieser mit Stolz blicken kann.

Wie wohl überhaupt im Leben erweist sich Müller auch in diesem Gespräch nicht eben als Optimistin – sondern als Realistin; ein Menschenschlag, dessen Angehörige bekanntlich immer als PessimistInnen erscheinen. „Man kann auch ohne Hoffnung leben“, sagt Müller, „und auch ohne Glauben daran, dass etwas besser wird“, was zwar pessimistisch erscheinen mag, aber realistisch ist. Oder sollte es am Ende gar optimistisch sein?

Jedenfalls ist Müller eine Sprachskeptikerin ersten Ranges, worauf ja schon der Titel hinweist. „[I]ch misstraue der Sprache zutiefst, und ich suche die Sprache, weil ich ihr nicht traue,“ bekennt die Autorin. Doch gerade dies, dass sie nicht an die Sprache glaubt, ist ein Segen, denn andernfalls wäre sie nicht Schriftstellerin geworden.

Dass ihre Sprache schön sei, möchte sie allerdings nicht hören. Zu recht. So scheint es zumindest. Denn dass Adjektiv ist nicht nur zu schwach, sondern auch unzutreffend. Das Buch „Atemschaukel“ hat also keine schöne Sprache, sondern „die Sprache, die es haben musste“. Und das ist das höchste Lob, das man einem literarischen Werk zollen kann. Aus dem Munde Müllers klingt es weder insolent noch prätentiös. Es ist schlicht zutreffend. Müller sagt nun zwar einerseits, eine „genaue Sprache ist ja nicht Schönheit.“ Doch erklärt sie auch, dass wir „in der Kunst ‚schön‘, zu dem [sagen], was wir nicht aushalten.“ Wenn dem aber so ist, dann ist Müllers Sprache eben doch schön.

Titelbild

Herta Müller / Renata Schmidtkunz: Ich glaube nicht an die Sprache. Herta Müller im Gespräch mit Renata Schmidtkunz.
Mit CD.
Wieser Verlag, Klagenfurt 2010.
61 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783851298604

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