Hender hat sechs Arme und ich mag ihn!

Zum Thriller „Biosphere“ von Warren Fahy

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Biosphere“ ist sowohl ein Science-Fiction-Roman als auch ein Gegenwartsroman. Warum das so ist? Weil es dem Autor Warren Fahy gelingt, mehrere interessante Aspekte einer wissenschaftlichen Gegenwart mit den Ängsten einer gesellschaftlichen Zukunft zu verbinden. Weil Fahy über die Fähigkeit verfügt, Wissenschaft lebendig werden zu lassen. Dies kommt dem Leser vor allem dann zugute, wenn er mit längeren Passagen konfrontiert wird, die ihm biologische und entwicklungsgeschichtliche Details vermitteln – referiert von den Protagonisten – und welche für das Verständnis des Romans unentbehrlich sind. Um die Wertung also gleich vorweg zu nehmen: ein spannender, unterhaltsamer, wissenschaftlich fundierter und engagierter Roman, der mit einem ungewöhnlichen Ende aufwarten kann.

Die Ausgangslage holt den Leser in der westlichen Welt unserer Gegenwart ab. Ein Aufnahmeteam eines Privatsenders ist mit dem Forschungsschiff und Luxusliner „Trident“ auf eine längere Erkundungs- und Pseudo-Forschungsreise geschickt worden. Das Kamerateam an Bord des Schiffes soll die Dramen und Abenteuer auf dieser modernen „Bounty“ filmen – und für hohe Einschaltquoten der Doku-Soap sorgen. Dem anfänglich gut laufenden Format geht nach und nach die Spannung aus und die Serie steht vor dem Ende. Kurz vor Abbruch der Mission fängt die Schiffsbesatzung einen Notruf von einer nahezu unbekannten Insel auf. Dem SOS folgend, nähert man sich „Henders Island“. Von der ersten Gruppe, die die Insel betritt, überleben nur wenige Besatzungsmitglieder, darunter die Biologin Nell und der Kameramann Zero. Ursache der fast vollständig gescheiterten Landungsmission ist eine extrem gefährliche Umwelt, in der hochgradig aggressive Tier- und Pflanzenarten in einem schnellen Wechsel von Fressen und Gefressen werden existieren – völlig unwirtlich für die menschliche Spezies.

In mehreren Expeditionen versuchen sich die Mitglieder des Forschungsteams auf der Insel zu orientieren. Aufgrund der Katastrophe bei der Erstbetretung der Insel wird das US-Militär hinzugezogen, von einem Flugzeugträger aus wird das gesamte Gebiet abgeschirmt und zum Sperrgebiet erklärt. Besonders eindrucksvoll ist dabei der naturwissenschaftliche Hintergrund, der von den Wissenschaftlern referiert wird und wesentlich zum Verständnis der Ereignisse des Romans beiträgt. Als letztendlich sogar intelligente Lebewesen auf „Hender Island“ entdeckt werden, die einigen Expeditionsteilnehmern das Leben retten und offensichtlich sogar das ursprüngliche Funksignal veranlasst haben, kann die vom Präsidenten der USA veranlasste vollständige Vernichtung der Insel nicht widerspruchslos akzeptiert werden.

Man „entführt“ die fünf Lebewesen der Spezies „Hendros“ von der Insel. Einer oder eines von ihnen erhält den Namen „Hender“ und avanciert zum Liebling des Lesers – ähnlich wie damals Steven Spielbergs ET. Fahy wartet mit einem ungewöhnlichen Schluss auf. Es ist ein sehr unterhaltsamer, spannender Wissenschaftsthriller mit schnellen und rasanten Passagen, an dem jeder Gefallen finden wird, für den Frank Schätzings „Der Schwarm“ eine unterhaltende Lektüre war.

Titelbild

Warren Fahy: Biosphere. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Michael Windgassen.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2010.
495 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783499252426

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