„Vielleicht eine Geschichte von Liebe und Tod?“

Sabine Peters Roman „Feuerfreund“ verbindet Trauerarbeit mit Poesie

Von Anton Philipp KnittelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anton Philipp Knittel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sabine Peters, Jahrgang 1961, hat vielbeachtete Bücher vorgelegt. Ihr neuester Roman „Feuerfreund“ ist ein sehr persönliches Werk, vielleicht ihr persönlichstes bislang, weshalb die Autorin meint vorab feststellen zu müssen: „Die Gestalten in diesem Buch sind nicht identisch mit lebenden oder toten Menschen.“

Natürlich sind die „Gestalten in diesem Buch“ nicht identisch mit realen Personen. Und dennoch lassen sich leicht Vorbilder erkennen, schließlich sind die autobiografischen Spuren überdeutlich. Denn mit Marie, der Protagonistin von „Feuerfreund“, teilt Peters die Geschichte des Verlusts des sehr viel älteren Ehepartners, des Schriftstellers Christian Geissler. Der ist, wie Rupert, der Schriftsteller und Ehegatte Maries, im August 2008 an Krebs gestorben. Fast 20 Jahre war das ungleiche Schriftsteller-Paar verheiratet.

Zu Beginn der Beziehung (und des Romans) ist Marie, 26, Lektoratspraktikantin und lernt im Dezember 1986 den mehr als 30 Jahre älteren Schriftsteller Rupert kennen: „Tage nach dem Besuch sein kurzer zorniger Brief, nur an Marie geht ein erstaunter Gruß. Lachend gibt ihr der Lektor den Bogen, so sind sie. Halten sich am Schwächsten fest, an einer jungen kleinen Frau.“

Bald beginnt ein direkter Briefwechsel: „Seinen Briefen legt er immer etwas bei. Einen Schmetterlingsflügel, eine Blüte, ein Stück Schlangenhaut, eine Zigarette Marke português SUAVE, oder den Zahn einer Ziege. Einmal wickelt Marie aus einem Feigenblatt ein Kettchen mit Kunststoffherz, das beschriftet ist. Pluma, Feder.“ Und rasch beginnt auch eine Liebesbeziehung, in der Rupert von vornherein den Altersunterschied illusionslos sieht: „Immer noch lägen dreiunddreißige Jahre zwischen ihnen. Sie wisse, er habe zwei Ehen und Anderes hinter sich. Er werde jederzeit weggehen können. Wahrscheinlich werde er es sein, der sie eines Tages verlasse.“

In der Tat ist es Rupert, der seine Frau verlässt, allerdings anders, als im frühen Brief zu Beginn der Beziehung vermutet. Rupert stirbt an Krebs. Marie, zwischenzeitlich selbst erfolgreiche Schriftstellerin, bleibt zurück und lässt ihr gemeinsames Leben mit Rupert schließlich schriftlich Revue passieren: die gemeinsamen Jahre im ostfriesischen Rheiderland, Lesereisen, getrennte Reisen, Besuche von und bei Freunden und der weitverzweigten Rupert-Familie, der Umzug nach Hamburg sowie die Zeit von Ruperts Erkrankung und die Monate nach seinem Tod: „Sie habe nicht vor, Rupert zum Objekt ihrer Arbeit zu machen; er sei ein Subjekt. Immer noch sei er tot. Sie wisse nicht, was sie künftig allgemein Interessantes erzählen solle. Ein Text der Trauer sei fad, und eine Bewegung, die durch Nacht zum Licht führe, finde sie unglaubhaft. Vielleicht sei nicht nur das Eine ans Ende gekommen, die Ehe. Vielleicht auch das Andere, das Schreiben. Sie beide seien zwar keine Symbiose gewesen, jeder habe den eigenen Ton gesucht, und doch sei es über zwanzig Jahre lang bei allen Entfernungen Hand in Hand gegangen, Arbeit und Liebe. Warum nicht auch jetzt das Ende der Arbeit. Sie wolle nicht über Rupert sprechen, sondern mit ihm.“

Doch die Briefe, die Marie an den Toten schreibt, gelingen nicht; sie bleiben für sie ohne Resonanz. Wie dann schreiben, fragt sie den gemeinsamen Freund Bernhard: „Der Verwandschaftshickhack interessiere sie so wenig wie ihre Ehekonflikte, sie wolle allerdings auch nicht ein Paar auf einen Sockel stellen, ihnen beiden Heiligenscheine andichten. Die Lust zwischen ihnen sei so tabu wie sein Sterben. Was dann bleibe. […] Er fragt, vielleicht eine Geschichte von Liebe und Tod?“

Auch wenn Maries stummer Dialog mit Rupert nicht gelingt, sie sich vielleicht eine Spur zu dezidert im Text immer wieder selbst fragt: „Wie macht man es, dass ein Verstorbener bei einem ist. Es heißt, so was braucht Zeit zum Wachsen. Sie kann solche Sätze nicht leiden“, ist ein poetischer Text entstanden, der trotz mancher Inkonsistenzen, wenn etwa aus der Einsicht ins „Selbstmitleid“ keine Änderung erfolgt oder erfolgen kann, in vielen Bildern und Metaphern die Geschichte einer Liebe über den Tod hinaus erzählt und dem Toten so wenig einen „Heiligenschein“ andichtet wie ihn zum bloßen Stoff degradiert.

Titelbild

Sabine Peters: Feuerfreund. Roman.
Wallstein Verlag, Göttingen 2010.
220 Seiten, 19,00 EUR.
ISBN-13: 9783835307889

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