Konsequenz

Christopher Cook spielt in „Robbers“ mit den Elementen des Road-Thrillers

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Konsequenz ist eines der Qualitätsmerkmale, die große Krimis auszeichnet. Das ist von Gradlinigkeit oder gar Fokussierung zu unterscheiden, die immerhin für Güte sprechen, bei denen aber eben auch noch einige weitere Kriterien hinzukommen müssen, damit etwas Gutes dabei herausspringt. Christopher Cook ist konsequent, und er nimmt sich alle Zeit der Welt dafür.Außerdem ist er einigermaßen moralisch, was den Autoren im Road-Thriller sonst oft verloren geht.

Cook wählt dabei sein Genre mit großer Sorgfalt. Von den einzelnen Elementen in „Robbers“ ist kein einziges neu. Da treffen sich zwei junge Männer mit Knastvergangenheit und tun sich zusammen, um danach die Welt unsicher zu machen. Rauben, stehlen, morden, vergewaltigen – Gewalt ist ihr Metier und sie setzen sie ohne Skrupel immer dann ein, wenn ihnen danach ist.

Das setzt die Umgebung, wenn sie es denn schon mitbekommen hat, einigermaßen unter Druck. Denn in einer leidlich zivilisierten Gesellschaft, in der man sich aufs Abendessen freut, während man Streife fährt und auf die nächste Nacht mit der Gattin (die schon Andeutungen gemacht hat) wartet, sind junge Männer, die nehmen, was sie wollen und erschießen, wen sie wollen, nicht angebracht. Wenn sie einbrechen in die Normalität, dann bricht sie in Windeseile auseinander.

Vertrauen ist das, was Gesellschaften zusammenbindet, auch das Vertrauen darauf, dass das eigene Leben nicht ständig in Gefahr ist. Vertrauen ist aber eine Währung, die im Krimi und vor allem im Thriller, der auf amerikanischen Fernstraßen spielt, nicht kurrent ist. Dort treibt sich ein Volk herum, das aus den tiefsten Wäldern, den Metropolen und den Gefängnissen stammt und dessen Berührungen mit dem Normalleben zumeist nicht konfliktfrei verlaufen. Am Anfang für die Bewohner des Kosmos Normalität, am Ende aber für die Trabanten des Systems, die vor allem eines nicht mehr können: heil landen.

So auch in diesem Fall. Eddie und Ray Bob tun sich auf eine Art und Weise zusammen, aus der am Ende niemand unbehelligt hervorgehen kann. Am Anfang ist es nur ein Zufall und ein unbedachter Moment, der sie zu Mördern macht: Zur Schachtel Zigaretten fehlt nur ein Cent – Eddie verliert die Nerven und erschießt den Verkäufer. Danach aber übernimmt Ray Bob das Kommando, der ist zwar intelligent, aber das ändert nichts daran, dass ihm das Morden fehlt, wenn er einmal darauf verzichtet.

Kein Rächer der Enterbten mehr, keine Rache für die Schandtaten, die ihnen als Kindern angetan worden ist, die Gewalt der amerikanischen kriminellen Subkultur ist motivationslos und grundlos. Sie ist einfach nur da. Und auch Cook verzichtet (bis auf einen schwachen Moment) darauf, das, was seine Figuren anderen antun, mit ihrer Geschichte zu erklären. Das tut seinem Krimi über die Maßen gut, und zeigt, welch hohes Gut Konsequenz ist.

Konsequenz hat aber nicht nur etwas mit der Handlungsführung zu tun – das wäre lediglich Gradlinigkeit. Konsequenz reicht viel weiter, nämlich bis in die Handlungen und Haltungen der Figuren. Cook erlaubt sich dabei keine Abweichung: Wenn nun Gewalt die Münze seiner Helden ist, mit denen sie ihrer Umwelt heimzahlen, dann trifft das eben auch jene Figuren, die auf der Grenze zwischen dem Guten, respektive Normalen, und dem Bösen, respektive Extraordinärensitzen. Sie genießen keinen Schutz vor den Nachstellungen derer, die sie verfolgen, und sie erhalten von ihnen keinen Respekt, sondern werden genauso aufs Korn genommen wie diejenigen, deren Existenz sie verteidigen sollen. Erst recht dann, wenn sie mit einem Selbstbewusstsein daherkommen, das ihnen so etwas wie Unverwundbarkeit zuschreibt. Ein roter Pickup ist zum Beispiel solch ein Signal, oder lautes Herumschreien im Wald oder nur der Umstand, nicht in Deckung zu gehen, wenn man hinter dem Bösewicht her ist. Die Agenten der Normalität sind am Ende auch nur tot, wenn jemand auf sie schießt.

Genau hier aber zeigt sich die Konsequenz Cooks: Die Hüter des Gesetzes, die Ritter der Landstraße sind nicht vor den Repräsentanten des Außerzivilisatorischen, vielleicht sogar Nachzivilisatorischen gefeit. Ganz im Gegenteil und umgekehrt: Zwar lässt Cook seine schwarzen Helden nicht minder darunter leiden, dass sie nur eine Haut haben und dass Kugeln sie eben durchlöchern können. Aber er hat einen Hang zu postmodernen Kneipiers und zu Menschen mit Musikgeschmack wie Eddie. Und er mag Menschen, die lernen können, wie Della, die die dumme Normalität in persona ist, und die dennoch lernt, mit ihren Problemen umzugehen (sie macht eine Liste nach Dringlichkeit), die etwas über ihre Sexualität lernt (dieser bewusste Punkt, den sie vorher noch nicht kannte) und die zu vertrauen lernt. Das ist eine ganze Menge, vor allem unter den Bedingungen, die ihr Cook zubilligt. Davon ist zu lernen.

Titelbild

Christopher Cook: Robbers. Thriller.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Stefan Lux und Frank Dabrock.
Heyne Verlag, München 2010.
558 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783453675735

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