Sie wollen nicht nur spielen

Marketinginstrument, Informationsmedium, oft genug aber auch Spielwiese der Ratlosigkeit: Die Verlage haben das Internet für sich entdeckt

Von Fridtjof KüchemannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fridtjof Küchemann

Die Verlage rüsten auf. Hatten sie sich noch vor wenigen Jahren damit begnügt, auf ihren schlicht unter dem Verlagsnamen betriebenen Websites über ihre Bücher und Autoren zu informieren, lassen vor allem die Großen der Branche es an dieser Stelle inzwischen blinken und flimmern: In bunten Farben, mit suggestiven Claims oder gleich mit Video-Clips werden die Hoffnungsträger des aktuellen Programms präsentiert, Interviews mit bekannten Autoren, Gewinnspiele oder Hintergrundinformationen zu den Titeln angeboten. Und das ist erst der Anfang. Je nach Zuschnitt des Programms und Eignung des Autors stellen die Verlage neben ihrer Homepage auch Websites ins Netz, die einzelnen Schriftstellern oder sogar einzelnen Büchern gelten. Ein enormes Angebot für den Leser, der sich hier so umfassend informiert fühlen kann wie noch nie, wo er doch im Grunde genommen mit einer Vehemenz umworben wird wie nie zuvor. Er kann aber auch desorientiert vor alledem stehen, was da im Internet um seine Aufmerksamkeit buhlt, wo diese doch eigentlich dem Buch selbst gelten soll.

Ein enormer Aufwand ist es für die Verlage, die solche Online-Angebote finanzieren, entwickeln und aktuell halten müssen – oder müssten, denn nach ein paar Monaten fehlt vor allem einigen Seiten für einzelne Bücher aus der vergangenen Saison durchaus die Frische. Ein zusätzliches Arbeitsfeld ist es aber auch für die Autoren. Denn einerseits sind die Verlage beim Betrieb der Websites – gerade, wenn es um spezielle Schriftstellerseiten geht – auf ihre Unterstützung angewiesen, in der Regel allerdings ohne sie extra dafür honorieren zu wollen. Und andererseits können vor allem Autoren, die ihr Werk auf mehrere Verlage verteilt haben oder es dort unzureichend beworben finden, hier auch aus eigener Kraft den Kontakt zu ihren Lesern halten, für ihre Bücher und Lesungen werben oder das Interesse an ihrer nächsten Veröffentlichung schüren.

Die Verlage rüsten auf: Nicht einmal vor dem Kinderbuchsegment macht die Tendenz der Branche halt, im Internet zu werben. Wo doch die Klage immer lauter wird, das World Wide Web trage dazu bei, dass immer mehr Kinder und Jugendliche immer weniger Zeit mit Lesen verbringen. Kindisch geht es schließlich mitunter in einem Unterbereich des Online-Marketings zu, dem derzeit die besondere Aufmerksamkeit der Verlage gilt, muss er doch, jung wie er ist, gleichzeitig erfunden, betrieben und im Unternehmen gerechtfertigt werden: Die Rede ist von sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter.

Für den Literaturjournalismus im Internet ist all das keine geringe Herausforderung: Gegen diese Konkurrenz mit ihrem privilegierten Zugang zu den Autoren und ihren Werken, mit ihrem Budget und ihrem Verkaufsinteresse muss er die eigenen Stärken in Stellung bringen: sein unvoreingenommenes Urteil, seine Übersicht und seine eindeutige Position auf der Seite der Leser.

Im Studienbereich Literaturvermittlung in den Medien an der Philipps-Universität Marburg hat sich im Sommersemester 2010 eine Übung mit den Aktivitäten der Verlage im Internet befasst. Literaturkritik.de veröffentlicht die Ergebnisse in der vorliegenden Ausgabe.

Die Texte im Einzelnen:

Zwischen Überfluss und Understatement. Bei allem, was auf den Websites von Verlagen multimedial gemacht wird, droht eines in den Hintergrund zu geraten: das Buch.

Vorsicht beim Betreten der Baustelle. Eigene Websites für einzelne Bücher haben ihren Sinn. Und ihre Tücken.

Diamanten oder Strass. Websites von Autoren haben ihren Reiz. Besonders, wenn sie auch wirklich von Autoren kommen.

Nur eine bessere Art von Werbung. Zu einigen Kinder- und Jugendbuchreihen finden sich eigene Websites im Netz.

Was sagen die Marketingexperten der Verlage dazu? Und was die Kinder?

Verlagswerbung 2.0. Die ersten Verlage haben Social Media für sich entdeckt. Aller Anfang ist schwer, aber es ist ein Anfang.

 

Anmerkung der Redaktion: Der Verfasser ist Literaturjournalist und Feuilletonredakteur bei FAZ.NET. Die Übung „Literaturjournalismus auf den Websites von Verlagen“ war sein achter Lehrauftrag an der Philipps-Universität Marburg.