Die Flucht in eine fremde Welt

Christoph Peters blickt in „Sven Hofestedt sucht Geld für Erleuchtung“ mit Humor und Kritik auf ferne Kulturen

Von Gunter IrmlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Gunter Irmler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Schriftsteller Christoph Peters berichtet in gleich mehreren seiner neu erschienen Geschichten über die Geheimnisse der künstlerischen Produktion, zum Beispiel bei der Arbeit als Fotograf oder Zeichner. Künstlerisches Schaffen ist für ihn eine Art existenzieller Grenzerfahrung. So ist die Fotografiekunst in der Eis- und Schneelandschaft sein Thema. Peters schildert den Flow des Fotografen bei seiner Arbeit: Der Protagonist in der Geschichte „Lichtverhältnisse am Berg“ denkt selbst über seine Arbeit nach. „Es gab keinen Auftrag, nur etwas in seinem Innern. Er hätte es nicht ,Vision‘ genannt, obwohl das Wort vielleicht sogar passend gewesen wäre: Er hatte etwas gesehen, das es nirgends zu sehen gab, und von dem er weder wusste, wie es sich herstellen ließ, noch was seine konkrete Gestalt war.“ Auf der Suche nach dem richtigen Bild und im Tätigkeitsrausch verkennt der Fotograf die Folgen eines gefährlichen Unwetters auf einem Gletscher. Auf dramatische Weise gerät er selbst in Not.

Durch sein Studium der freien Malerei ist Peters darin geschult, visuelle Vorgänge auch als Zeichner akzentuiert abzubilden. So hat er sich einen höchst nuancierten Blick angeeignet, der ihm bei der detaillierten literarischen Schilderung förderlich ist. Peters wurde 1966 geboren und lebt in Berlin. Er erhielt zahlreiche Preise, unter anderem den aspekte-Literaturpreis und den Rheingau-Literaturpreis. Der Autor hatte Poetik-Dozenturen inne, unter anderem an der Universität Mainz. Er hat mehrere Romane und Bände mit Erzählungen veröffentlicht.

Auch die Flucht in eine fremde Welt ist in vielen der Geschichten Christoph Peters’ Gegenstand: Der Autor ist fasziniert von fernen Kulturen wie der japanischen. So beschreibt die Titelgeschichte Sven, – einen jungen Mann, der sich zur fernöstlichen Erleuchtung in ein Zen-Kloster begeben möchte, dafür aber Geld benötigt. Sven „erzählte von Bogenschießen, Pinselzeichnungen, Steingärten, und dass man tagelang im Schnee vor der Pforte des Klosters ausharren müsse, um überhaupt eingelassen zu werden“. Bei seiner Suche nach Geld erlebt er verblüffende Höhenflüge und ungeahnte Abstürze.

Die Einflüsse asiatischer Religionen auf unser Alltagsleben analysiert Peters in mehreren Geschichten. Fernöstliche Lehren sind in Zeiten der Krise christlicher Institutionen bei vielen Menschen besonders gefragt. Ihre Einflüsse auf unser Alltagsleben betrachtet der Autor in seinen Texten sowohl mit aufklärerisch-kritischem Interesse als auch mit einem Augenzwinkern.

Komik und Selbstironie prägen die meisten Prosatexte – so die Beschreibungen des Aufbruchs junger Leute, die ihrer gewohnten Enge entfliehen. In „Tanzveranstaltungen, junge Liebe, ein Hund“ erzählt der Autor von den Irrungen und Wirrungen der ersten Liebe. Der Protagonist bleibt bei der Annäherung an das andere Geschlecht in Schüchternheit befangen – wie auch in einem weiteren Text über eine Reise des Ich-Erzählers mit einem Freund nach Venedig. In lockerer Schreibe sind Szenen entstanden, in die Peters auch Songtexte einblendet.

Immer wieder verweigert der Autor sich einer forcierten Handlung; er zeichnet stattdessen in Rückblenden, detaillierten szenischen Beschreibungen und Exkursen die Konflikte der Figuren. Die stecken im Dilemma ihrer Identitätssuche zwischen Ich-Erweiterung und tragischem Ende. Nur gelegentlich, wenn der Konflikt in den Geschichten allzu sehr in den Hintergrund gerät, wünscht man sich eine stärkere Dynamik der Handlung.

Titelbild

Christoph Peters: Sven Hofestedt sucht Geld für Erleuchtung. Geschichten.
Luchterhand Literaturverlag, München 2010.
224 Seiten, 18,99 EUR.
ISBN-13: 9783630873374

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