Confessiones

Martin Booth beschreibt mit „The American“ das Geständnis eines sehr diskreten Herrn, das nun auch verfilmt wurde

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Buch nach dem Film zu lesen ist immer gefährlich, vor allem dann, wenn die Hauptfigur von einem derart präsenten Schauspieler wie George Clooney gespielt wird. Die Verfilmung von „A very private Gentleman“, so der Originaltitel des Romans des 2004 verstorbenen Martin Booth, hat zwar von der Kritik viel einstecken müssen. Dennoch hat der Film dem Buch den Weg ins deutsche Publikum geebnet. Und das ist ein Glück, denn Booths Krimi, der leider den einigermaßen unpassenden Filmtitel übernehmen musste, ist ein Gewinn für die deutschsprachige Krimiszene.

Der Plot lebt vom Blick und Rückblick des älteren kriminellen Professional auf seine Karriere, sein Gewerbe und seinen Status Quo: Das Geschäft des Signore Farfalla ist die Fertigung hochpräziser Schusswaffen, die von professionellen Killern eingesetzt werden. Schwierige Situationen, spezielle Voraussetzungen und die Anpassung an die spezifischen Gewohnheiten und den Körperbau der Kunden sind seine Spezialität.

Signore Farfalla hat sich für seinen letzten Auftrag in ein italienisches Städtchen zurückgezogen. Er behauptet, Schmetterlingsmaler zu sein, was den Spitznamen erklärt, den ihm seine italienischen Bekannten und Nachbarn geben. Das Geschäft, in das er aufgrund seines Talents und darüber hinaus nur zufällig geraten ist, betreibt der sehr zurückgezogen lebende Mann mit großer Hingabe und Professionalität. Professionalität ist ihm wichtig. Sie ist die Essenz, aus der er Selbstbewusstsein und Selbstgewissheit zieht. Sie ist aber auch der Grund, warum es für ihn Zeit ist aufzuhören.

Präzision und Hingabe an seine Aufgabe, Kompetenz und Kompromisslosigkeit sind die Eigenschaften, die den Mann im Hintergrund, den Waffenbauer, ausmachen. Er führt seit Jahren eine Existenz am Rande der Gesellschaft. Er schreibt sich und Seinesgleichen eine hygienische Funktion zu. Zugleich eine Position, die notwendig im Geheimen angesiedelt ist, da eine zivile Gesellschaft diese Seiten, die zwar notwendig zu ihr gehören, doch im Verborgenen halten muss.

Die doppelbödige Existenz ist dem Signore Farfalla damit zur zweiten Natur geworden. Keinen Namen zu besitzen, keinen Ort, zu dem er gehört, keine Familie und kein Freundeskreis sind der Preis, den er dafür bezahlt. Auch keine Gewohnheiten zu entwickeln, ist für ihn überlebensnotwendig.

Denn seine Existenz ist nicht nur verborgen, sondern auch beständig in Gefahr: So gesehen ist diese spezifische Unbehaustheit des Namenlosen Herren aus dem englischsprachigen Raum, der im mittleren Italien haust und angeblich Schmetterlinge malt, nicht zuletzt das Extrem einer modernen Existenz, die den Einzelnen radikal freisetzt und ihn in seinen ständig wechselnden Rollen aufgehen lässt. Identität ist ein Luxus, den sich niemand in dieser Lage leisten kann. Diese Lage ist jedoch allgemein. Farfalla ist ein Jedermann.

Präsentiert wird diese Persönlichkeitsstudie als Bekenntnis des alternden Mannes, der sich seines Lebens, seiner Herkunft und seiner Wahl vergewissern will. Freilich nicht nur, um das alles zu legitimieren, sondern auch um sich am Ende doch davon lösen zu können. Denn die extreme Isolation und Ungebundenheit fällt ihm nun mehr und mehr schwer. Die zufälligen Nachbarn werden zu Freunden, der Priester des Ortes zum Vertrauten, eine der Huren, zu denen er geht, zu seiner Geliebten. Aus der unverbindlichen Existenz wird eine verbindliche, woran sein Alter und nicht zuletzt das – ungemein attraktiv geschilderte – italienische Ambiente mit schuld sind.

Farfalla sucht also eine Lösung, ein Ende, einen Ausstieg. Nur dass in seinem Gewerbe ein Ausstieg nur selten möglich ist. Der Film, der im Übrigen radikal strafft, gestaltet das anders: Hier soll sein letzter Auftrag ihn selbst treffen. Ein Killer ist auf ihn angesetzt, was allerdings nicht motiviert ist. Lediglich dass jemand hinter ihm her ist, wird klar. Die Gründe aber bleiben offen.

Im Roman ist der Showdown das Resultat eines früheren Missgriffs, eines Fehlers, den sich Farfalla seitdem nicht mehr erlaubt hat. Nur wer Fehler macht, kann lernen. Farfalla hat gelernt, aber nun kehrt sich sein Lernprozess gegen ihn selbst.

Und noch eine zweite wesentliche Änderung nimmt der Film vor: Hier steht zu Beginn des Films die Schuld, die Farfalla am Ende zurecht umbringen wird. Er erschießt seine Geliebte, weil sie eine Zeugin ist. Kalt, gnadenlos. Dafür bestraft ihn die Inszenierung am Ende: Farfalla stirbt nach dem Showdown, das Letzte, was er sieht, ist seine neue, nun unerreichbar gewordene Geliebte.

Das Buch kennt diese Logik nicht: Auch hier tötet Farfalla die junge Frau. Allerdings ist die Episode nachgeordnet und hat mit dem Schlusskonflikt nichts zu tun, der dazu führt, dass Farfalla das nahe geglaubte Paradies der zivilen Behaustheit nie erreichen wird. Aus diesem Paradies vertrieben zu sein, ist endgültig. Das aber ist dann doch der logischere, der klarere und grausamere Schluss, mithin ein Vorteil des Buches vor dem Film, auch wenn viele der atmosphärischen und inszenatorischen Elemente des Buches gerettet wurden. Nur das mit dem Amerikaner, das hätte nicht sein müssen.

Titelbild

Martin Booth: The American. Kriminalroman.
Übersetzt aus dem Englischen von Giovanni und Ditte Bandini.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010.
397 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783499255151

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