„Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“

Sigmund Freuds Beitrag zur Erkenntnis des Lachens

Von Carl PietzckerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Carl Pietzcker

Kennen Sie den? Eine Bekanntschaftsanzeige, Rubrik „Sie sucht Ihn“: „Scheues Kuschelmäuschen sucht Mann mit Pferdeschwanz, Frisur egal.“ Ein Witz. Nun eine von einer Grundschulklasse erlebte komische Szene: Die Klasse beobachtet mit immer neu anhebendem Lachen, wie vor ihrem Klassenzimmer eine Krähe eine Nuss aufhebt, mit ihr hochfliegt, diese ihr entgleitet, wie sie es abermals versucht, höher gelangt, die Nuss ihr wieder zu Boden fällt, und so in Steigerung noch öfter, bis sie die Nuss schließlich verzehrt. Und vielleicht erinnern Sie sich an den Satz jenes Verurteilten, der frühmorgens geweckt und zur Hinrichtung geführt wird „Na, die Woche fängt gut an“ – Humor, in diesem Fall Galgenhumor. Auf diesen Witz, auf Ihr Lachen oder auch Nichtlachen und auf meine Sorge beim Erzählen, ob er mir auch gelingt, auf die komische Szene und jenen Galgenhumor werde ich immer wieder zurückkommen, wenn ich Freuds Beitrag zur Erkenntnis des Lachens darstelle.

„Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ erschien 1905, im selben Jahr wie das „Bruchstück einer Hysterie-Analyse“, also der Fall Dora, und die „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“. An den „Drei Abhandlungen“ und dem Buch zum Witz hatte Freud gleichzeitig gearbeitet. Angeregt zu der Arbeit über den Witz wurde er 1899 durch den Hinweis von Wilhelm Fließ, die Träume enthielten zu viele Witze, ermutigt fühlte er sich durch die „Beiträge zur Ästhetik“ von Theodor Lipps; getragen wurde er wohl von der Lust an Witzen, die ihn selbst „am ausgiebigsten lachen gemacht haben“. Das waren vor allem jüdische Witze. Mit ihnen, die seine Arbeit für uns zu einem Buch der Erinnerung an das inzwischen vernichtete Ostjudentum machen, rief er sich ein Stück seiner eigenen Identität herauf.

Freuds Interesse gilt in dieser Arbeit „Wesen und Beziehungen des Witzes“. Vom Witz her nähert er sich mit deutlicher Zurückhaltung dem Komischen und dem Humor. Das Lachen stellt er nicht ins Zentrum, diskutiert es als deren Folge und Zweck allerdings mit. – Er inszeniert seinen Text als einen Erkenntnisprozess, in den er die Lesenden hineinlockt, ihre Einwände, ihren Widerstand mitinszeniert und dann entkräftet. Scheinbar ganz analysefern befragt er zunächst die Aussagen von Philosophen und Psychologen und zeigt, wie wenig sie zueinander passen, arbeitet an mannigfaltigem Material Techniken des Witzes heraus, fragt nach deren Zusammenhang und sucht sie abstrahierend zu systematisieren, und das ohne einen einzigen psychoanalytischen Begriff. Nachdem er sich auf diesem Weg langsam an den Witz herangetastet hat, führt er seine Ergebnisse im zweiten, dem synthetischen Teil, zusammen, um erst im dritten, dem theoretischen Teil, die Ergebnisse der Tradition und seine eigenen psychoanalytisch neu zu formulieren und begrifflich zu fassen. Dem folge ich mit meiner Darstellung nicht; denn es geht mir darum, am Beginn dieser Tagung, die sich das Lachen zum Thema gesetzt hat, hierzu an einige Begriffe und Denkoperationen Freuds zu erinnern, damit wir uns durch sie anregen lassen und fragen, inwieweit wir sie beibehalten, erweitern, verändern oder vielleicht auch verwerfen müssen. Ich richte meine Aufmerksamkeit also auf das Lachen, nicht aber auf Witz, Komik und Humor und ich stelle Freuds Ergebnisse schematisierend vor, folge bei meiner Darstellung also nicht dem von ihm vorgeführten Suchweg. Ich verzichte auf die von ihm analysierten, heute zumeist schwerer verständlichen Witze, und ich weise gelegentlich auf Punkte hin, wo sich von Freud her sinnvoll weiterdenken ließe.

Eine geschlossene Theorie des Lachens hat Freud nicht entwickelt. Er fragt nach den Kontexten, in denen und nach den Bedingungen, unter denen es entsteht; nach dem Lachen selbst fragt er meist nur mittelbar. Hierbei beachtet er freilich eine Vielzahl von Aspekten, die auch wir nicht vergessen sollten, wenn wir nach dem Lachen fragen. Dies sind

1. der ökonomische Aspekt, also die Frage nach der psychischen Energie beim Lachen und bei dessen Vorbereitung;

2. der topische Aspekt, also die Frage nach dem psychischen Ort der Vorgänge: ob sie bewusst, vorbewusst oder unbewusst verlaufen. Oder nach der zweiten Topik, dem Instanzenmodell: was Es, Ich oder Über-Ich zum Lachen beitragen;

3. der dynamische Aspekt, also die Frage nach dem Gegeneinanderwirken psychischer Kräfte;

4. der genetische Aspekt, also die Frage nach der Entstehung und der entstehungsgeschichtlichen Zuordnung der Lachenden und dessen, worüber sie lachen;

5. der kommunikative und weiter noch der soziale Aspekt, also die Frage, in welcher kommunikativen und sozialen Situation gelacht wird. Das führt zu

6. dem produktionsästhetischen Aspekt, also zur Frage, was geschieht, wenn einer einen anderen lachen macht, und zu

7. dem rezeptionsästhetischen Aspekt, also zur Frage, was bei dem, der zum Lachen gebracht wird, geschieht, beim Rezipienten also, und unter welchen Voraussetzungen dies gelingt. Hierzu gehört

8. der kulturale Aspekt, unter dem Freud nach den kulturellen Voraussetzungen des Lachens fragt.

Dieser Gliederung will ich folgen. Ich beginne mit dem ökonomischen Aspekt. Lachen versteht Freud in den Spuren der Physiologie des 19. Jahrhunderts als „ein Phänomen der Abfuhr seelischer Erregung“: „Wir würden sagen, das Lachen entstehe, wenn ein früher zur Besetzung gewisser psychischer Wege verwendeter Betrag von psychischer Energie unverwendbar geworden ist, so daß er freie Abfuhr erfahren kann, „wobei „die Abfuhr gerade jene Wege findet, deren Erregung das somatische Bild des Lachens ergibt“. Voraussetzung dieser Vorstellung ist Freuds metapsychologisches, wie er immer wieder betont, nicht endgültig beweisbares, aber aus der Empirie konstruierbares Modell der Psyche als eines Apparats, dessen Aufgabe es ist, die dort zirkulierende Energie, d.h. die Erregungsgrößen, welche sich dem Triebpotential und äußeren Reizen verdanken, auf möglichst geringem Niveau zu halten. Wenn wir lachen, werde überschüssige Energie abgeführt, und das empfänden wir als lustvoll. Lachen wir über einen Witz, so lachen wir nach Freud ersparten Hemmungsaufwand ab, lachen wir über eine komische Szene, so lachen wir ersparten Vorstellungs- oder Besetzungsaufwand ab, und lachen oder lächeln wir humorvoll, so geschieht dies aus erspartem Gefühlsaufwand. Wenn wir über den Witz vom Mann mit Pferdeschwanz lachen, so führen wir also den Aufwand ab, den wir normalerweise benötigen, um die Vorstellung von einem Mann mit einem Penis, so groß wie der eines Pferdes von unserem Bewusstsein, zumindest aber von unserem zivilisierten Gespräch fernzuhalten. Um diese Vorstellung daran zu hindern, in unser Gespräch vorzudringen, hatten wir ein bestimmtes Maß an Hemmungsaufwand benötigt. Nun, da wir diesen Witz hören, können wir uns den Hemmungsaufwand ersparen und führen ihn lachend ab. – Im Fall der Komik ersparen wir uns Vorstellungsaufwand und lachen ihn ab. Die Bemühung der Krähe, die Nuss in die Höhe zu tragen, hatte bei den Kindern Vorstellungen von Anstrengung, Können und Erfolg aufgerufen und diese Vorstellungen in Erwartung erfolgreichen Abschlusses affektiv besetzt. Der Misserfolg der Krähe hatte dann jenen Besetzungsaufwand unnötig gemacht, ihn erspart. So konnten die Kinder ihn im Lachen abführen. Und wenn wir von dem Mann hören, der zu seiner Hinrichtung geweckt wird und dies mit den Worten quittiert, „Na, die Woche fängt gut an“, so werden bei uns zunächst Emotionen geweckt, Mitleid oder vielleicht Empörung, dass ein Unschuldiger bestraft wird. Doch dann lassen seine Worte uns schmunzeln, lächeln vielleicht; sie haben uns ja den eben wachgerufenen Gefühlsaufwand für Wut, Grauen oder Mitleid erspart. Den können wir nun schmunzelnd abführen. So unterscheidet Freud unter ökonomischem Aspekt den Witz, dessen Lust aus erspartem Hemmungsaufwand hervorgeht, von der Komik, deren Lust aus erspartem Vorstellungsaufwand hervorgeht, von dem Humor, der uns Gefühlsaufwand erspart.

Voraussetzung dieses Verständnisses ist Freuds in der Neurosen- und Traumtheorie entwickelte Hypothese, dass psychische Vorgänge als Prozesse von Energiebewegungen zu verstehen sind, in denen Energie unterschiedlich verteilt, verstärkt und verringert werden kann, dass dies auf Bahnen geschieht, die sich im Gang der individuellen Entwicklung herausbilden, dass Vorstellungen mit unterschiedlicher Intensität besetzt werden und dass beide, Vorstellungen wie Energie, auch getrennt werden können. Diese Hypothese und die aus ihr entwickelten Begriffe fasst er in einer heute befremdenden, dem Wirtschaftsleben und der Physik entstammenden Metaphorik, zum Beispiel in der Metapher „ökonomisch“, die nicht mit dem Sachverhalt, auf den sie verweist, gleichgesetzt werden sollte. Unter dem ökonomischen Gesichtspunkt kann Freud auch anderes Lachen verstehen, zum Beispiel das der Analysanden, denen bisher Unbewusstes bewusst wird: Da führen sie jene Energie lachend ab, die sie bis dahin als realitätsbewusste Erwachsene gegen infantiles Unbewusstes eingesetzt hatten. Er kann die Nähe, ja den Übergang von Lachen und Weinen als unterschiedliche Abfuhr von Energie begreifen, aber auch das Zwangslachen bei Traueranlässen. Da würde nach einem Durchbrechen verpflichtender Trauer Energie abgeführt, die störende Affekte zurückzuhalten hatte. Von hier aus können wir manche erschreckenden Formen des Lachens begreifen, zum Beispiel jenes, von dem Michael Wieck in seinem „Zeugnis vom Untergang Königsbergs“ berichtet: Die noch nicht ins Konzentrationslager abtransportierten Juden treffen sich im Betsaal. Nach der Lesung der Thora gedenkt der Rabbiner der Abtransportierten; in der Stille dann „ein herzerschütternder Schluchzton, dem sich in einer Kettenreaktion unzählige andere anschließen. Nun weint fast die ganze Gemeinde“. Wieck berichtet weiter: „Das geht uns Jungen so auf die Nerven, daß wir hilfesuchend einander ansehen. Dabei verlieren auch wir die Beherrschung, nur, statt, daß sich auch unsere Tränen lösen, müssen wir laut losprustend lachen. Hemmungslos lachen: das ist unsere Reaktion auf ein unerträglich gewordenes Schaudern. Wir haben keine Kraft, unsere Lachkrämpfe zu unterdrücken.“ Die Erregung ihres Schauderns, die sie nicht als Weinen abführen können, sucht Abfuhr im Lachen.

Der zweite metapsychologische Aspekt, der von mir unausgesprochen gelegentlich schon mitgedacht wurde, ist der topische. Hier fragt Freud nach dem Topos, nach dem, metaphorisch gesprochen, psychischen Ort eines Prozesses, also auch der Vorgänge, die zum Lachen führen. Er unterscheidet verschiedene mehr oder weniger deutlich von einander abgegrenzte, aber auch zusammenhängende Systeme des psychischen Apparats mit unterschiedlichen Gesetzlichkeiten und Funktionen. In seinem ersten topischen Modell sind dies das Unbewusste, das Vorbewusste und das Bewusste. Der Ursprung der Energie von ihnen allen befindet sich im Unbewussten. Dort ist die Energie frei beweglich, sie strebt auf schnellstem und unmittelbarstem Weg ihrer Abfuhr zu, strömt ungehindert ab und sucht ins Bewusstsein und damit auch zur Handlung zu gelangen. Die im Unbewussten geltenden Gesetze der leicht beweglichen Energie, nach denen die Triebrepräsentanzen besetzt werden, hat Freud in der „Traumdeutung“ und in seinen „Hysteriestudien“ als die des Primärprozesses bezeichnet, es sind zum Beispiel die der Verdichtung, der Verschiebung und der Vereinbarkeit von Gegensätzlichem. Im Vorbewussten herrscht dagegen der Sekundärvorgang; das Streben der Energie nach Abfuhr ist aufgehalten, sie ist gebunden. Im Bewussten, oder wie er es auch nennt, im „System Wahrnehmung/Bewusstsein“, sind die Energiebesetzungen weithin in Ruhe. Dort werden geringe Energiequanten für die Denkarbeit verwendet; die Energie ist leicht beweglich und kann unterschiedliche Elemente überbesetzen, das heißt die Aufmerksamkeit fokussieren.

Von diesen metapsychologischen Voraussetzungen her blickt Freud auf das, was zum Lachen führt. Die Quelle der Witzeslust sieht er im Unbewussten. Das schließt er daraus, daß wesentliche Techniken des Witzes denen des Primärprozesses entsprechen, zum Beispiel die Verdichtung, etwa die zweier unterschiedlicher Bedeutungen im Wort „Pferdeschwanz“. Auch andere Verfahren des Primärprozesses entsprechen denen des Witzes, Verschiebung, Gleichzeitigkeit des logisch Unvereinbaren oder Darstellung durch das Gegenteil und indirekte Darstellung. Er findet eine Stütze seiner These im Material, also im Inhalt vieler Witze, deren Vorstellungen bis ins Unbewusste reichen, zum Beispiel die grob sexuelle Vorstellung vom Pferdeschwanz. Er findet weitere Stützen für seine These von der Bedeutung des Unbewussten für den Witz in der kurzfristigen Absenz dessen, der einen Witz bildet, und darin, dass Witze nicht bewusst hergestellt werden, sondern eines Einfalls bedürfen, wie auch in der Schwierigkeit vieler von uns, einen Witz zu erinnern. Zur Bildung eines Witzes komme es nämlich, wenn ein vorbewusster Gedanke kurzfristig ins Unbewusste sinke und nach den dort geltenden Regeln bearbeitet, danach aber von der bewussten Wahrnehmung erfasst werde. Die Energie einer Gegenbesetzung, welche die unbewusste Denkweise oder auch die unbewusste Wunschvorstellung bisher daran gehindert habe, ins Bewusstsein zu dringen, diese Hemmungsenergie erweise sich nun als unnötig und könne abgelacht werden. Die Komik dagegen lokalisiert Freud im Vorbewussten: Jene Grundschulkinder sehen die Krähe die Nuss erfolgreich in die Höhe schleppen – bis sie ihr entfällt; nun lachen sie die Energie ab, mit welcher sie nicht unbewusst, auch nicht bewusst, sondern eben vorbewusst die Vorstellung erfolgreichen Gelingens mit stärkeren Energiequanten besetzt hatten, die sich, ohne dass sich ihre Aufmerksamkeit bewusst hierauf gerichtet hatte, jetzt als unbrauchbar erweisen. Nach Freud ist dies ersparter Vorstellungsaufwand. Auch den Humor, denken Sie an den Galgenhumor dessen, der am frühen Morgen zur Hinrichtung geweckt wird, auch den Humor versteht Freud als vorbewusst ablaufend. Er vollzieht sich für ihn nicht als bewusst verlaufender gelenkter Prozess. Die Wahrnehmung freilich sei bewusst auf eine peinliche Vorstellung fokussiert, zum Beispiel auf die, dass ich hingerichtet werde, Schmerzen leide oder verkrüppelt bin. Der mit solchen Vorstellungen verbundene Affekt dagegen sei vorbewusst von diesen Vorstellungen abgezogen worden, so dass sich das Lachen aus erspartem Gefühlsaufwand ergebe.

Von seinem zweiten topischen, dem Instanzenmodell her, das die Psyche als Zusammen- und Gegeneinanderspiel von Es, Ich und Über-Ich denkt, hat Freud 1927 in dem Artikel „Der Humor“ diese Art des Lachens erneut zu fassen versucht. Hier fragt er nicht ökonomisch nach der Abfuhr psychischer Energie, oder topisch im Sinn des ersten Modells nach dem Ort psychischer Prozesse, sondern danach, wie der Humorist zu jener psychischen Einstellung gelangt, in der er Abstand von eigenem Leiden gewinnt. Seine Antwort: Der Humorist verschiebe große Besetzungsmengen vom Ich auf das Über-Ich, das heißt von der Instanz, deren Aufgabe realitätsgerechtes Verhalten sei, auf die Instanz, mit welcher sich die einstige Überlegenheit der Eltern im Individuum fortsetze. Von da her verhalte er sich zu sich und seinen Leiden wie ein Erwachsener zu einem Kind, das er tröstet und über dessen Leiden er lächelt. So blieben dem Humoristen die Bilder seines Leidens bewusst, während die mit ihnen verbundenen Affekte zu Teilen abgezogen, damit erspart und im Lächeln abgeführt würden.

Die Betrachtung unter ökonomischem und topischem Aspekt ist bei Freud verbunden mit der unter dynamischem Aspekt: mit dem Gesichtspunkt, unter dem er psychische Phänomene als Ergebnisse von Konflikten zwischen einander widerstrebenden Tendenzen begreift. Im Kräftespiel zwischen den Anforderungen der äußeren Realität, denen das Individuum um des Überlebens willen entsprechen müsse, die es deshalb auch in sich aufgenommen habe, einerseits und seinem Lustbedürfnis andererseits, komme es zu Spannungen: Auf Lust drängende Wünsche würden im Zeichen des Realitätsprinzips gegenbesetzt. Werde diese Gegenbesetzung unnötig, könne sie im Lachen abgeführt werden. Solche Gegenbesetzungen könnten vorbewusstem und bewusstem äußeren Zwang entsprechen, etwa dem politischer oder konfessioneller Unterdrückung, aber auch innerem, zum Beispiel dem, stets vernünftig und selbstkritisch zu sein. Setze sich das von der kritischen Vernunft Verworfene im Albern, im spielerischen, bewusst unsinnigen Reden durch, so könne, und das geschehe im Fall des harmlosen Witzes, die entsprechende Gegenbesetzung lachend abgeführt werden. Solches Spiel, zum Beispiel. das mit den Klischees von der scheuen Frau, die dann doch diese kühne Anzeige aufgibt, von der Frau, die sich als Maus vorstellt, von der Maus, die kuschelt und sich einen Mann sucht, solch harmloses Spiel ruft allerdings nur schwaches Lachen hervor; es ist ja so harmlos, dass es keiner intensiven Gegenbesetzung bedarf. So werde auch nur wenig Hemmungsenergie erspart. Heftiger werde das Lachen, wenn die Gegenbesetzung zu einer stärker unterdrückten Vorstellung aufgehoben werde, zum Beispiel zu der grob sexuellen vom Mann mit Pferdeschwanz. Das werde, so Freud, erst durch die Lust an jenem harmlosen Spiel möglich. Solche Vorlust, wie er sie nennt, helfe die weit intensivere Lust am strenger Verbotenen freizusetzen; sie lenke die Aufmerksamkeit der stärker unterdrückenden Kräfte ab und locke als harmlose Lust an dem, was ein rechter Erwachsener sich eigentlich versagen sollte, die Lust an dem hervor, was ihm verboten sei. Freud beobachtet hier also einen mehrfach dynamischen Prozess. Das kleine Lachen über das leichter Unterdrückte locke das große Lachen über das stärker Unterdrückte. Hierbei setzten sich im Fall des Witzes Kraft und Gegenkraft durch und kämen in der witzigen Verdichtung erwartbarer und unerwarteter Bedeutung zum Kompromiss; in dem Wort „Pferdeschwanz“ zum Beispiel zu dem zwischen der alltäglichen und so auch zulässigen Bedeutung Frisur und der unerwarteten obszönen.

Ökonomik, Topik und Dynamik des Seelenlebens denkt Freud unter genetischem Gesichtspunkt als zusammengehörig: Unterschiedliche Besetzungsstärken, Unbewusstes, Vorbewusstes und Bewusstes sowie das Wechselspiel der Kräfte hätten sich unter dem Zwang zu überleben im Widerspiel von Lust und Realitätsprinzip auf dem Weg vom Säugling zum Erwachsenen herausgebildet, einem Weg des Verzichts auf alte Lustmöglichkeiten; doch die lockten auch weiterhin. Gelänge es, die derzeit verlangte Stufe der Realitätsbewältigung aufzugeben und von der des Erwachsenen zu einer früheren Stufe zurückzukehren, etwa zur infantilen Denkarbeit des Unbewussten, die von Verschiebung und Verdichtung bestimmt sei, oder zum kindlichen Spiel mit Worten oder Gedanken, so könnten Gegenbesetzungen erspart werden. Mit Blick auf die ontogenetisch entstandene psychische Dynamik sucht Freud Wurzeln des Lachens im Zurückgehen auf frühere Stufen der Ontogenese und das bis hin zu der „für das Lächeln bezeichnende[n] Grimasse der Mundwinkelverzerrung“, die zuerst beim befriedigten Säugling auftrete, „wenn er eingeschläfert die Brust fahren läßt. Sie ist dort eine richtige Ausdrucksbewegung, da sie dem Entschluß, keine Nahrung mehr aufzunehmen, entspricht“. Hier vermutet Freud eine „spätere Beziehung zu den lustvollen Abfuhrvorgängen“. – Im Fall des Witzes sieht er eine Rückwärtsbewegung, eine Regression auf den infantilen Typus der Denkarbeit des Unbewussten und auf das Spiel des Kindes. Im Fall des Komischen entsteht für ihn das Lachen aus dem Vergleich, den der Erwachsene zwischen sich und dem Kindlichen anstellt, das er in der komischen Figur sieht und nachempfindet. Jene Grundschüler z.B. vergleichen den bereits erreichten Stand ihrer Realitätsbeherrschung mit der von ihnen schon überwundenen Kindlichkeit, die sie als tolpatschige Bemühungen der Krähe wiedererleben. Sie fühlen sich überlegen, zugleich genießen sie aber auch jene Kindlichkeit. So vermutet Freud im Komischen das wiedergewonnene „verlorene Kinderlachen“. Entsprechend lache der Humorist beim Vergleich „seines gegenwärtigen Ichs mit seinem kindlichen“. Freud kann nun am Ende seines Witzbuchs schreiben, dass Witz, Komik und Humor „Methoden darstellen, um aus der seelischen Tätigkeit eine Lust wiederzugewinnen, welche eigentlich erst durch die Entwicklung dieser Tätigkeit verloren gegangen ist.“

Alle drei zielten auf „die Stimmung unserer Kindheit, in der wir das Komische nicht kannten, des Witzes nicht fähig waren und den Humor nicht brauchten, um uns im Leben glücklich zu fühlen.“

Nutzt er den genetischen Gesichtspunkt, um das Lachen und dessen Funktion zu begreifen, so nutzt er ihn andererseits, um einzelne Phänomene, zum Beispiel den Witz, in Entwicklungsreihen zu verorten und so in ihrer Besonderheit zu verstehen, ja sogar, um didaktisch vom Einfachen zum Komplizierten zu führen, zum Beispiel vom Spiel mit Worten zum Scherz, der mit Gedanken spielt und unterm Diktat vernünftigen Denkens entstandene Hemmungen erspart, von da zum harmlosen Witz, der dem kritischen Urteil gerecht werden muss, bis hin zum tendenziösen Witz, der aus den vorherigen Stufen jene Vorlust bezieht, die den noch stärker gehemmten, zumeist sexuellen oder aggressiven Vorstellungen zum Durchbruch verhilft – was die gegen sie eingesetzte Hemmungsenergie erspart und noch stärkeres Lachen hervorruft. So bildet Freud aus genetischer Perspektive Reihen jener Verfahren, die zum Lachen führen und damit, zumindest in Ansätzen, auch Reihen von Arten des Lachens.

Die vier bisher skizzierten Gesichtspunkte, der ökonomische, der topische, der dynamische und der genetische sind die bekannten Gesichtspunkte der Freudschen Metapsychologie. Mit ihnen erschöpft sich die Vielfalt seiner Zugänge zum Lachen freilich nicht. Der kommunikative und in weiterem Sinn soziale Aspekt führt ihn weit über eine Einpersonenpsychologie hinaus, wenn er zum Beispiel betont, dass Lachen anstecke, dass es Gemeinsamkeiten herstelle, dass, wer Andere zum Lachen bringe, deren Sympathie gewinne und es als Angriffs- und Machtmittel einsetzen könne, wenn die Anderen mehr über seinen ins Lächerliche gezogenen Gegenspieler lachen als auf die Rationalität von dessen Argumenten zu hören. Freud betrachtet den Witz als einen sozialen Vorgang aus produktionsästhetischer und rezeptionsästhetischer Perspektive: Der Witzproduzent, der die Witzarbeit leiste, also zur Überwindung seiner Hemmungen psychische Energie aufwende und nicht sicher sei, dass er die Verbotsschranken nur so weit überschritten hat, dass er nicht aus der Gemeinschaft herausfällt, bedürfe des zustimmenden Lachens des Rezipienten einerseits, um erleichtert den beim Witzerzählen nochmals aufkommenden Hemmungsaufwand als unnötig zu erfahren, ihn also zu ersparen und abzulachen, andererseits um sich mit dem Lachen des Anderen das Gelingen seiner Witzarbeit bestätigen zu lassen. Das Lachen des Rezipienten ergänze ihm durch Rückwirkung sein eigenes. Beide bestätigen sich lachend ihre Komplizenschaft beim Angriff auf die untersagende Instanz. Und lachend erführen sie lustvolle Gemeinschaft, die womöglich zurückreiche bis zu jener Gemeinschaft mit der Mutter, in welcher der gesättigte Säugling lächelt. Der Rezipient, der vom Produzenten die Lust am Witz geschenkt bekomme, ohne dass er den psychischen Aufwand der Witzarbeit leisten müsse, vollziehe seinerseits die Witzarbeit nach, also auch das kurze Eintauchen ins Unbewusste. Hierbei erspare er einen wesentlich höheren Hemmungsaufwand, der beim Zuhören durch geschicktes Erzählen noch gesteigert werden könne.

Anderer Art ist nach Freud der soziale Prozess, der im Fall der Komik zum Lachen führt. Die erste Person lache über eine zweite, ohne eine dritte als Rezipienten zu benötigen; im Fall des Humors könne die belachte Person sogar der Lachende selbst sein. Die lachende Person fände an der komischen Person etwas zu Belachendes dadurch, dass sie sich in der Vorstellung an deren Stelle setze, deren übermäßigen Mehraufwand, der sie an die Bemühungen eines Kindes erinnere, mit dem von ihr selbst aktivierten Aufwand vergleiche und die Differenz ablache. Diese Differenz könne auch allein innerhalb des Anderen erfahren werden, zum Beispiel zwischen einem hohen geistigen Anspruch und einem körperlichen Bedürfnis, dem die komische Figur erliege. Der soziale Vorgang zwischen demjenigen, der Komik erfährt, und der komischen Figur vollziehe sich also in der ersten, der wahrnehmenden Person, die sich in die komische Figur hineinversetze. Das heißt, die erste, die lachende Person konstruiere das Komische. Ein Beispiel ist jene Grundschulklasse, welche die Krähe beobachtet. Für die Kinder waren dies immer neu ansetzende, dann aber doch misslingende Meisterungsversuche. Wie beim Anschauen eines Zirkusclowns wurden sie an frühere eigene Anstrengungen und deren Misslingen erinnert, mobilisierten Vorstellungsbesetzungen und führten sie dann lachend ab. Komik erzeugten sie mit ihrer Konstruktion, die Krähe wolle die Nuss davon tragen. Als sie jedoch später erfuhren, dass die Krähe die Nuss dadurch, dass sie sie fallen ließ, öffnen wollte, bewunderten sie deren Technik – nichts mehr von Komik. Die hatte sich einer Konstruktion verdankt. Diese Subjektzentriertheit des Komischen vollzieht sich nach Freud im Fall des Humors sogar ganz in der ersten Person. Freuds Blick fällt im Fall der Komik also von einer interpersonalen Szene auf eine intrapersonale.

Aus produktions- und rezeptionsästhetischer Perspektive nähert er sich schließlich den Techniken des Witzes und des Komischmachens, die er zuvor ganz frei von metapsychologischen Gesichtspunkten zu bestimmen versucht hatte. Im Fall des Witzes hätten diese Techniken zweierlei Funktion: Sie sollten die Witzproduktion ermöglichen und dem Witzhörer Lustgewinn bringen. Die für den Witzbildner wesentlichen Techniken seien einerseits solche des Spiels mit Worten und Gedanken, aus denen der Witz seine Lust beziehe, zum Beispiel das Spiel mit den zwei Bedeutungen vom „Pferdeschwanz“, eine Lust, die im Fall des tendenziösen Witzes als Vorlust wirke. Andererseits seien für den Witzbildner Techniken wichtig, die dieses Spiel vor dem kritischen Einspruch der Vernunft schützen, denken Sie an die Doppelgesichtigkeit des Witzes, an die doppelte Bedeutung eines Gedankens oder Wortes, die uns dazu bringt, dass wir uns zunächst die nicht anstößige Bedeutung vorstellen, zum Beispiel den „Pferdeschwanz“. Diese Techniken dienten auch dem Lachen des Witzhörers; hinzu komme bei diesem alles, was auf erhöhten Lustgewinn zielt, zum Beispiel die Steigerung der Spannung, also die Erhöhung der Energiebesetzung, die dann abgelacht werden kann, die Erzeugung einer heiteren Stimmung, welche Kritik und Aufmerksamkeit auf das Witzverfahren schwächt, und alles, was der Überrumpelung des Hörers dient, zum Beispiel die Pointe, also das eine überraschende Wort am Ende des Witzes, in unserem Fall das unerwartete „egal“, welches alles umkehrt. Vor allem gelte es, dafür zu sorgen, dass die überschüssige Energie auch als Lachen abgeführt und nicht anderweitig verwendet werde. Hierzu müsse der Witz als psychischer Vorgang isoliert werden, dürfe also nicht in einen größeren Zusammenhang eingebettet sein, etwa den eines Vortrags über den Witz, der die Aufmerksamkeit auf ihn lenkt. Im Gegenteil, die Aufmerksamkeit müsse durch allerhand Techniken abgelenkt werden, zum Beispiel dadurch, dass sie in eine andere Richtung gewiesen wird, etwa in die von „Kuschelmäuschen“. Unter dem Dach des Überraschungseffekts könne die Abfuhr sich dann automatisch vollziehen. Vor allem müsse ferngehalten werden, was den Hörer peinlich berührt. Das gehe aber nur, wenn der Hörer ähnliche Hemmungen habe wie der Witzbildner.

Dies führt zu Freuds Betrachtung unter kulturalem Aspekt. Bei ähnlichen Hemmungen würden ähnliche Verhaltensweisen oder Vorstellungen unterdrückt und dann Gegenstand des Witzes. Das gilt zum Beispiel auch für Witze von Männern und Frauen. An dem Witz vom Pferdeschwanz etwa, den ich von einer Frau habe, erfreuen sich wohl vor allem Frauen, die daran sind, sich in unserer noch patriarchalen Kultur zu emanzipieren. Hinter der Fassade des Klischees von scheuer weiblicher Anschmiegsamkeit, softer männlicher Langhaarigkeit und mächtiger männlicher Potenz kommt es zum Angriff auf den potenzbewussten Mann, der mit solcher Pracht ja schwerlich aufwarten kann und nun sein bestes Teil beschämt vor dem angeblich scheuen Kuschelmäuschen bewahren sollte. Hörerinnen und vielleicht auch Hörer lachen über den frechen Angriff auf taktvollen Anstand, auf Sexualtabu, männliche Anmaßung und weibliche Unterwerfung – falls ihnen dieser Angriff nicht doch zu weit geht. In einem Milieu, wo ein Witz gar nicht oder aber als Angriff verstanden wird, weil die kulturellen Voraussetzungen andere sind, dort bringt er niemand zum Lachen. Ein Witz über den Christengott oder eine den Christen heilige Handlung etwa könnte diese peinlich berühren oder aber wütend machen. „Jeder Witz verlangt so sein eigenes Publikum“. Das können wir erweitern: Jede Kultur hat ihre eigene Lachkultur, und die ihre eigene Geschichte.

So weit mein schematisierender Blick auf Freuds Buch über den Witz. Ich wollte zeigen, aus wie vielen Perspektiven, aus der ökonomischen, der topischen, der dynamischen, der genetischen, der kommunikativen, der gesellschaftlichen, der produktionsästhetischen, der wirkungsästhetischen und der kulturalen er auf das Lachen blickt. Dies kann eine Möglichkeit bieten, zu überdenken, was wir von Freuds Ansätzen übernehmen, verändern und erweitern sollten, oder inwiefern wir sie verwerfen müssen.

Anmerkung der Redaktion: Der Originalbeitrag, der diesem Essay zugrunde liegt, erschien unter dem Titel „Sigmund Freud: ‚Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten‘“ in: Wolfram Mauser (Hg.): Lachen. Würzburg: Königshausen und Neumann, 2006, S. 19-28. Wir danken dem Autor für seine Genehmigung zur Nachpublikation und weisen auf ein eben erschienenes Buch von ihm hin: Carl Pietzcker: Psychoanalytische Studien zur Literatur. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2010.