Der Autor als schwermütiger Spieler

Malte Herwig schreibt die erste Biografie über den österreichischen Autor Peter Handke

Von Philipp WeberRSS-Newsfeed neuer Artikel von Philipp Weber

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der 1972 geborene Autor und Journalist Malte Herwig macht sich in seiner jüngsten Veröffentlichung an die heikle Aufgabe einer Biografie über Peter Handke. Heikel sind Biografien zu lebenden Personen bekanntlich stets – in diesem Fall handelt es sich nun aber um den bekanntermaßen notorisch schwierigen Peter Handke. Herwig bemüht sich (wie er im Vorwort erklärt) um den Spagat „nah dran zu sein“ und gleichzeitig „Distanz zu wahren“– seine „Sympathie“ für den Autor gibt er aber dabei durchaus zu erkennen.

Er beginnt seine Biografie mit einer ausführlichen Schilderung der Geschichte des Elternhauses. Diese Verwicklungen, zugleich historische wie persönliche, sind für das Verständnis Handkes überaus aufschlussreich. Nicht zuletzt, um die slowenischen Wurzeln stärker ins Licht zu rücken („Auch meine Anfangssprache soll das Slowenische gewesen sein“, so Handke). Der junge Peter wächst im österreichischen Dorf Griffen auf – zu einem „Urschock“ wird sein zerrüttetes Elternhaus, an dem Handke fortwährend zu zehren haben wird. Ausführlich wird seine Beziehung zur Mutter und dem leiblichen Vater abgehandelt. Herwig tendiert dabei dazu, Briefe vollständig abzudrucken, wozu man ihm in diesem Falle auch zu großem Dank verpflichtet ist – im weiteren Verlauf des Buches stören die seitenlangen Zitate aber den sonst schwungvollen Lesefluss immer mehr. Besonders ein bislang unveröffentlichter Brief an den leiblichen Vater bietet viel Aufschluss über die Person Handkes – und erlaubt eine weitere Parallelziehung zu dessen Wahlverwandtem Franz Kafka.

Der schon früh als „Wunderkind“ geltende Handke gelangt über einige Stationen als Priesterzögling und einem Jura-Studium in Graz recht früh zum literarischen Erfolg: Mit „Die Hornissen“ und „Publikumsbeschimpfung“ feiert er in jungen Jahren große Erfolge und wird zum neuen Shootingstar in der deutschsprachigen Literaturlandschaft – mit „Pilzkopffrisur“ und getönten Brillengläsern als seinem Markenzeichen.

Ebenfalls großen Raum erhalten in der Biografie Handkes Beziehungen zu Frauen, seine beiden Ehen und eben auch seine Rolle als Vater – die für ihn enorme Wichtigkeit erhält. Neben den privaten Einblicken, die Herwig gewährt, werden die poetologischen Momente bei Handke dabei leider zu oft ausgespart. Diesen Bereich überlässt Herwig ganz der Wissenschaft und so werden dem Leser viele interessante Aspekte der Biografie von Handkes Denken und Schreiben vorenthalten. Die Literatur dient ihm vielmehr (dies wäre ein weiterer Kritikpunkt der Biografie) – der Parallelisierung mit Leben und Person. So werden Passagen seines Werkes stillschweigend als Belege für die jeweilige emotionale oder psychische Verfasstheit des Autors verwendet, was illegitime Kurzschlüsse ermöglicht.

Im letzten Teil der Biografie geht Herwig auf den problematischsten Bereich bei Handke ein – dessen verfehltes politisches Engagement für Serbien: Handkes Teilnahme an der Beisetzung von Slobodan Milosevic wird noch einmal rekapituliert, ebenso die Kapriolen um die Vergabe des Heinrich-Heine-Preises der Stadt Düsseldorf sowie sein Besuch bei dem Kriegsverbrecher Radovan Karadžić. Herwig bemüht sich hier um eine Betonung der Sichtweise Handkes und beschreibt dessen „poetischen Blick auf ein kontroverses Thema“ als „Gratwanderung“. An manchen Stellen wäre hier ein Mehr an kritischer Beurteilung wünschenswert gewesen, so kehrt sich manche Parteinahme für Handke zuweilen ins Ironische, wenn es etwa heißt: „In ästhetischen wie in politischen Fragen kennt Handke nur einen Maßstab: Peter Handke“.

Höchst informativ und luzide verfasst ist diese Biografie dennoch ein wichtiger Anhaltspunkt für alle, die sich eingehender mit der Person Peter Handke beschäftigen wollen. Ausführliche Gespräche mit Freunden und Weggefährten gewähren einen persönlichen Einblick in den Werdegang Handkes, wie es ihn zuvor nicht gab. Dass die Person Handkes dem Leser dabei stets distanziert bleibt, ist ein weiterer Vorzug der Biografie: Herwig bemüht sich nicht erst, Handke als bloß missverstandenen Autor darzustellen – er charakterisiert ihn als „schwermütigen Spieler“, der nur in der Distanz zur Mitwelt zu leben und schreiben vermag. Ein „Spieler“ ist er eben auch deshalb, weil er in ironischer Manier diese Pose zur Schau zu stellen vermag und sich allzu gerne dabei von den Medien über die Schulter blicken lässt.

Titelbild

Malte Herwig: Meister der Dämmerung. Peter Handke. Eine Biografie.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2011.
364 Seiten, 22,99 EUR.
ISBN-13: 9783421044495

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