Entspannte Armut mit Potential

Martin Suters neuer Roman „Allmen und die Libellen“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Martin Suters Protagonist Allmen ist ein sympathischer Verlierer. Er macht einen netten und unterhaltsamen Eindruck. Der Autor nimmt den Leser sofort für seine Hauptfigur ein. Schon in den ersten Zeilen, auf den ersten Seiten, ist der adelige, aber in Geldschwierigkeiten steckende Allmen ein positiver Protagonist, von dem man die ganze Zeit hofft, dass er sich aus seinen Schwierigkeiten befreien kann. Ihm an die Seite gestellt wird ein sympathischer Bediensteter namens Carlos, der die Funktion eines Butlers und Hausangestellten, eines Kochs und eines Zimmermädchens übernimmt. Dabei wird das Verhältnis zwischen beiden Figuren nur durch die mangelnde Entlohnung des Angestellten durch den „Arbeitgeber“ Allmen getrübt – was beide aber nicht weiter zu stören scheint. Zumal sie aus der herrschaftlichen Villa schon in ein mehr oder weniger heruntergekommenes Gartenhaus umziehen mussten, womit „man“ sich scheinbar bestens arrangiert hat.

J. F. von Allmen, Sohn vermögender Eltern, kann nach dem Tod des Vaters auf das Familienvermögen zugreifen – und verschwendet es. Anfangs gleicht er mangelnde Geldreserven durch den Verkauf teurer Antiquitäten und Sammlerstücke aus, die er früher zu hohen Preisen erwerben konnte. In der Gegenwart angekommen und nachdem alles Verkaufbare verkauft worden ist, überbrückt Allmen finanzielle Engpässe mit Antiquitätendiebstählen, deren Beute er an einen befreundeten Antiquitätenhändler verkauft. Zwar muss er seinen Lebensstil einschränken, bleibt aber trotzdem den gehobenen Gesellschaftsschichten verbunden. Als er eine mysteriöse Frau kennen lernt, bei ihr eine Nacht verbringt und seiner Profession des Diebstahls verfällt – er muss dringenden finanziellen Verpflichtung einem gewalttätigen Gläubiger gegenüber nachkommen –, beginnen weit reichende Verwicklungen. Trotzdem erlebt  er neben seinen Eskapaden entspannende Momente, die Martin Suter für den Leser und für seine Hauptfigur inszeniert: „Er legte das Buch zur Seite, ging ans Büchergestell und griff zu seinem anderen Fluchthelfer aus der Wirklichkeit: William Somerset Maugham. Der Erzählband war englisch, und er las The Back of Beyond. Aber auch Georg Moon, der scheidende Resident von Timbang Belud, vermochte ihn nicht wie sonst zu fesseln. Er stellt sich an die rückwärtige Glaswand und starrte in die schwarzgrüne Hecke, aus der vor kurzem Terry Werenbusch auf ihn geschossen hatte.“

Suter macht aus dem Roman eine Kriminalgeschichte, Schüsse fallen, es wird Tote geben. Der charmante Flaneur Allmen wird sogar in einen Mord verstrickt. Er und sein Butler Carlos avancieren zu einem etwas seltsamen Ermittlerteam. Man könnte fast von einem Happy End sprechen, wenn da nicht Allmen und seine gesellschaftlichen Dispositionen wären. Letztendlich lässt Suter ihn zu einem besseren Menschen werden und wir, die Leser, freuen uns darüber. Suter hat eine von diesen literarischen Personen erschaffen, die einen eigenen Charakter entwickeln, mit denen man sich anfreunden kann und bei denen man überlegt, was sie wohl machen, wenn das Buch zu Ende ist. Aber Allmen kommt schon zurecht. Und was es mit den „Libellen“ auf sich hat? Wir wollen ja nicht alles verraten. Lesen Sie einfach nach!

Titelbild

Martin Suter: Allmen und die Libellen. Roman.
Diogenes Verlag, Zürich 2011.
194 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783257067774

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