Arthur C. Danto liest Nietzsche als einen Vorläufer des Neopragmatismus

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Sogar der amerikanische Neopragmatismus, der unlängst in Deutschland durch Robert B. Brandoms "Expressive Vernunft" auf ein neues Niveau gehoben wurde, soll in Nietzsche einen Vorläufer haben. Das jedenfalls behaupten Arthur C. Dantos Studien über den Philosophen. Sie liegen, in ihrem Hauptstück schon 1965 in New York erschienen, seit 1998 in deutscher Übersetzung vor. Nietzsches hundertster Todestag ist hier Anlass, noch einmal nachdrücklich auf sie hinzuweisen, weil sie die vielseitige Lebendigkeit seiner Philosophie aus einer nach wie vor ungewohnten Perspektive bereichern.

Dantos Verfahren gleicht jenem, das Brandom im Titel der Originalausgabe seines Buches als "Making it explicit" gekennzeichnet hat. Danton erhebt den Anspruch, Nietzsches oft diffuse philosophische Analysen "anhand einer Logik aufzuschlüsseln, die zu explizieren er selbst nicht in der Lage war, an die er jedoch in unverkennbarer Weise herantastete." Diese Explikation des bei Nietzsche oft nur implizit Formulierten fördert Grundzüge einer analytischen Philosophie zu Tage, die Danto dazu geeignet hält, die fanatische und gefährliche Seite seines Werkes gleichsam zu entwaffnen. Denn ein systematischer Kern der Philosophie Nietzsches richte sich gegen jenen philosophischen Dogmatismus, der für sich beanspruche, mehr als eine perspektivierte Interpretation der Wirklichkeit zu sein. Seine "Lehre vom Willen zur Macht" sei "die Lehre, daß die Welt etwas von uns Gemachtes und immer wieder zu Machendes darstellt, daß sie keine andere Gestalt und Bedeutung hat als diejenige, die wir ihr auferlegen." Aussagen über die "wahre Wirklichkeit" sind nicht mehr als eine sprachliche Konstruktion der Wahrheit und Wirklichkeit, die dem Kriterium unterliegt, ob sie "funktioniert" und ob sie "nützt".

Danto rückt Nietzsches "Fassung der pragmatischen Wahrheitstheorie" ausdrücklich in die Nähe entsprechender Theorien Wittgensteins und Rortys. Die von Brandom, einem Schüler Rortys, konnte er noch nicht kennen. Dieser bezeichnet das "Verständnis von Wahrheit als Nützlichkeit zu einem Zweck" als "stereotypen Pragmatismus" und hält diesem differenziertere Positionen entgegen. Ob Nietzsches Philosophie vor diesen bestehen kann, muss sich erst erweisen.

(Das kürzlich im Suhrkamp Verlag erschienene Buch "Expressive Vernunft" von Robert B. Brandom wird in einer der nächsten Ausgaben von literaturkritik.de rezensiert.)


Titelbild

Arthur Danto: Nietzsche als Philosoph.
Wilhelm Fink Verlag, München 2000.
342 Seiten, 29,70 EUR.
ISBN-10: 3770532309

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