Partisan gegen die Wissensdressur zur Unmündigkeit. Reinhard Brandts Beantwortung der Frage „Wozu noch Universitäten?“

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Die Worte rätseln im Kreuz – ein Kreuz fürwahr, befand einmal ein kluger Kopf. Diejenigen, die es auf sich nehmen, wissen so manches und oft dasselbe. Eine Antilopenart mit drei Buchstaben etwa brauchen sie – obwohl es sich ja dem Namen nach um ein Rätsel handelt – gar nicht zu erraten. Sie wissen zwar vielleicht nicht, nach welchem Tier gefragt wird, aber doch ganz sicher, welche Buchstaben in die drei Kästchen zu setzen sind.

Gegen solches (Kreuzworträtsel-)Wissen grenzt der Marburger Philosoph Reinhard Brandt in seinem jüngsten Essay die Erkenntnis ab. Wie der Titel des Werkes verrät, unternimmt es die Beantwortung der Frage „Wozu noch Universitäten?“ Es ist nun diese Unterscheidung zwischen Wissen, das sich (etwa in solchen Kreuzworträtselantworten) „bewährt“, ohne eine Begründung oder gar Beweisführung zu erfordern, und einer Erkenntnis, die sich dieser bedient und jener bedarf, die Brandt zufolge den Universitäten nicht nur Existenzrecht sichert, sondern überhaupt erst ihre Identität stiftet. Erkenntnis, so Brandt, „akkumuliert kein Wissen zum Eintrichter“, „perfektioniert kein künstlerisches Können“, „grenzt sich als Theorie ab von der instrumentellen Klugheit“ und „kritisch vom Glauben, den sie nicht praktiziert, sondern zum Gegenstand ihrer Neugierde macht“. Erkenntnis thematisiere mithin „die verschiedenen Gegenstands- und Tätigkeitsbereiche in methodisch strukturierten Untersuchungen“.

Der Autor beklagt, dass die Universitäten etwa durch Master-, vor allem aber durch Bachelor-Studiengänge „zu Fachhochschulen umgewandelt“ werden und somit „ihr Kennzeichen, Institutionen der Erkenntnis und des freien Studiums zu sein“, verlieren. Hiergegen und gegen die an Universitäten zunehmend um sich greifende „Wissensdressur zur Unmündigkeit“ hält Brandt ein flammendes „Plädoyer dafür, die Universität als ausgezeichneten Ort der Erkenntnis stark zu machen“. Denn sie gilt ihm als „die einzige Institution, die den Freiraum für diese Erkenntnis zur Verfügung stellen kann und muß“.

Brandts streitbarer Essay unternimmt im Weiteren den Versuch, „die Schnittfläche der existierenden Universitäten und der wissenschaftlichen Erkenntnis ausmachen und beides in ihrer Funktion für die moderne Zivilgesellschaft heraus zu präparieren“. Dabei schmückt der Philosoph seine Ausführungen schon mal mit Fabeln über Einzelkrähen, die Ameisen und Termiten nur lachen lassen.

Angesichts der zunehmend verfachhochschulten Universitäten beantwortet der Autor Lenins alte Frage „Was tun?“ mit dem Vorschlag, „Partisanen der Erkenntnis“ zu werden. Denn „als Orte des exemplarischen Erkennens im Austausch von kritischen Argumenten, dem Absichern gegen Widerlegung, der Orientierung in der Forschungslandschaft“ sind die Universitäten unverzichtbar.

R.L.

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Titelbild

Reinhard Brandt: Wozu noch Universitäten? Ein Essay.
Felix Meiner Verlag, Hamburg 2011.
250 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783787321421

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