Nicht Hamlet, sondern Hanswurst

Zum 85. Geburtstag des Nobelpreisträgers Dario Fo

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Als „Wettstreit zweier Berufskomiker“ hat Dario Fo sein höchst angespanntes Verhältnis zum italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi bezeichnet. Mit seiner 2003 uraufgeführten Bühnenarbeit „Der anormale Doppelkopf“ – ein mehr als zweistündiges Zweipersonenstück, das er mit seiner Frau Franca Reme spielt – hatte er in Italien ein gigantisches mediales Echo entfacht, weil er darin Putins Hirn in Berluscionis Kopf verpflanzt hatte.

Nicht untypisch für Dario Fo, an dessen Leben und Werk sich seit Jahrzehnten die Geister scheiden. Als ihm 1997 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde, sprachen viele Kritiker vom „größten Fehlurteil“ der Stockholmer Akademie, während wohlwollende Stimmen eine „mutige Entscheidung“ attestierten. Für Fo kein Novum, denn zeitlebens hat er bewusst provoziert und polarisiert.

„Dario Fo steht in der Nachfolge mittelalterlicher Gaukler. Er geißelt die Machtlosigkeit und richtet die Würde der Schwachen wieder auf“, hieß es 1997 in der Jurybegründung des Nobelpreiskomitees. „Wir sind Flegel, und wie allen Flegeln dieser Welt gefällt es uns, zu lachen und zu spotten, grotesk, vulgär und manchmal auch possenhaft zu sein.“ So beschrieb Fo sein eigenes künstlerisches Credo.

Kaum ein anderer Autor seiner Popularität ist im eigenen Land so umstritten und angefeindet. Pier Paolo Pasolini befand einst über Fo, er wäre „Eine Art Pest, die das italienische Theater befallen hat.“ Doch nicht nur in Intellektuellenkreisen, denen Fo wegen seiner unkonventionellen Volksnähe ein Dorn im Auge war, regte sich Kritik. Politiker, Richter, Fernsehanstalten und vor allem die katholische Kirche erklärten den Nobelpreisträger zu einer Art persona non grata. Verschiedene Fernsehsender verbannten ihn vom Bildschirm, einige Male wurde er auf der Bühne von der Polizei verhaftet, die USA verweigerten ihm zweimal die Einreise.

Fo, der am 24. März 1926 in San Giano am Lago Maggiore als Sohn eines Eisenbahnangestellten geboren wurde, ist eigentlich ein Verlierer par excellence. Sein Studium der Malerei und Architektur brach er ab, und seine ersten Stücke, die er mit einer 1959 gemeinsam mit seiner Ehefrau gegründeten Theatergruppe aufführte, wurden verboten.

Doch seine großen Publikumserfolge, die sich zunächst außerhalb Italiens Ende der 1970er-Jahre mit den Stücken „Bezahlt wird nicht“ und „Zufälliger Tod eines Anarchisten“ einstellten, führten nach und nach auch zu einem Umdenken bei der Fachwelt, die mit der Fo’schen Volkstümlichkeit lange ihre Probleme hatte. Des Autors Satz „der erste und letzte Zweck des Theaters ist Unterhaltung“ war für viele Autorenkollegen und Theaterkritiker ein Stich ins Herz.

Doch gerade seine von allen Stilrichtungen und Modetrends unabhängigen Stücke, in denen er scharfzüngig und provozierend gegen die moralische Doppelbödigkeit der Spießergesellschaft zu Felde zog, begründeten die Erfolge des „enfant terrible“.

Volkstheater bedeutete für Fo immer, dass die Themen und Probleme des Volkes auf die Bühne gebracht werden: „Ich bin nicht mit der Idee zum Theater gegangen, Hamlet zu spielen, sondern mit der Ansicht, ein Clown zu sein, ein Hanswurst.“ Gerade deshalb war sein intensiver Kontakt zu den kämpfenden Arbeitern in den 1970er-Jahren für das Entstehen seiner Stücke von großer Bedeutung.

Seine Stücke „Hohn der Angst“ (1981) und „Offene Zweierbeziehung“ (1984) gehören noch heute weltweit zum Repertoire vieler Bühnen. Dabei ist Fos Arbeit nicht nur auf den erfolgreichen Dramatiker zu beschränken. Als bissiger Zeitungskolumnist, als Sänger, Schauspieler (in vielen eigenen Stücken), Regisseur (als exzellenter Interpret von Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“) und Bürgermeisterkandidat von Mailand steigerte er zusätzlich seinen Bekanntheitsgrad.

Die Folgen eines Schlaganfalls Mitte der 1990er-Jahre hat der moderne Interpret der Commedia dell‘ arte ebenso gut überstanden wie mehr als 40 Gerichtsprozesse. Und immer noch gibt er sich äußerst streitlustig. „Früher hatte die politische Klasse mehr Stil. Die jetzige Regierung ist grobschlächtig, vulgär, unerbittlich“, so Fos Urteil über sein Heimatland, mit dem ihn eine ganz eigene Hassliebe verbindet.