Zu dieser Ausgabe

Diesen Monat gratuliert literaturkritik.de Bob Dylan zum 70. Geburtstag. Und zwar gleich schon einmal im Voraus, denn der Geburtstag wird eigentlich erst am 24. Mai begangen. Besonderer Begründungen für eine solche redaktionelle Entscheidung bedarf es nicht: Kaum ein Musiker und Autor hat seit dem 20. Jahrhundert so viele Menschen begeistert und auch so viele Gemüter erhitzt wie Dylan. Beinahe ebenso alt wie der einzigartige Künstler ist die Kritik an seiner wandelbaren Musik, an seinen wechselnden ideologischen oder auch religiösen Orientierungen.

Manche Leute können mit Dylans Werk allerdings wenig bis gar nichts anfangen. Immer wieder wurden Stimmen laut, die Dylan höchstens noch als Interpreten eines „sägenden Plumpsack-Countrybluesrockboogie in seiner qualitativ reduziertesten und altbackensten Form“ gelten lassen mochten, „breiartig und schwerfällig, von jeder denkbaren Nuance bereinigt“. Selbst unkaputtbare Song-Klassiker wie „All Along The Watchtower“ sehen solche erbitterten Unkenrufer dann in den Konzerten der „Never Ending Tour“ Dylans nur noch „zielgerichtet verorgelt, verrumpelt, vergniedelt, verknödelt, vergeigt und von einem hyperaktiven Hardrock-Schlagzeuger zerdeppert, bis kaum noch etwas von dem dargebotenen Song übrig ist“. Diese hier nur als ein Beispiel für viele zitierte Tirade von Thomas Blum aus der „Jungle World“, in welcher der entrüstete Konzert-Kritiker Dylans Musik im Jahr 2007 nur noch als „bleierne[n] Kleinstergemeinsamernenner-Rock“ wahrzunehmen vermochte, braucht die allgemeine Feierstimmung aber keineswegs zu trüben.

Trotzdem ist die an Volten und nicht zuletzt auch Verulkungen reiche Dylan-Rezeption ein wunderbarer Einstieg für ein Editorial. Unvergessen ist da zum Beispiel Frank Zappas Dylan-Satire aus dem Song „Flakes“. Er findet sich auf der 1979 veröffentlichten LP „Sheik Yerbouti“ und ist bei Youtube nachzuhören.

Unter anderem gibt es in diesem Video-Schnipsel-Portal, in dem man manchmal die erstaunlichsten Dokumente findet, auch eine Live-Version dieses Zappa-Songs aus dem Jahre 1981 – wobei man hier über das Kostüm des Bandleaders wahrscheinlich mittlerweile mindestens genauso laut lachen dürfte wie über die seinerzeit dargebotene musikalische Dylan-Satire.

Doch auch ernst gemeinte Cover-Versionen von Dylans Musik sind ein dankbares Thema. Leider nicht bei Youtube zu finden – beziehungsweise dort wohl aus urheberechtlichen Gründen gesperrt – ist zum Beispiel der legendäre Auftritt in Monterey, bei dem Jimi Hendrix 1967 Dylans „Like A Rolling Stone“ nachspielte. Hier wurde aus dem im Original eher blechern dahergeschrummelten Folk-Lied tatsächlich noch einmal etwas völlig Neues, Andersartiges, auch heute noch immer absolut Umwerfendes. Hendrix brauchte übrigens überhaupt nur zwei Cover-Versionen, nämlich die besagte aus Monterey und seine effektvolle Adaption von „All Along The Watchtower“, die er auf seinem Doppelalbum „Electric Ladyland“ (1968) veröffentlichte, um zu erreichen, dass heute zumindest halbwegs ambitionierte Gitarristen anhand dieser Songtitel sowieso längst gar nicht mehr Dylan denken, sondern zu allererst an Hendrix.

Wie dem auch sei: Den altgedienten und über alle Zweifel erhabenen Dylan-Cracks, die unserer Zeitschrift ihre Texte für die vorliegende Ausgabe geliefert haben, sei an dieser Stelle in aller Form gedankt. Einige der Beiträger unserer Ausgabe werden übrigens auch noch bei einer Tagung zu Ehren des Jubilars „live“ auftreten, die zum gegebenen Termin an der Mainzer Universität stattfinden wird.

In den nächsten Tagen und Wochen wird man sich vor weiteren Artikeln, Dossiers, Sonder-Radiosendungen und Fernsehfeatures über Dylan wohl kaum noch retten können. Wir aber können zumindest sagen, unter den Ersten gewesen zu sein: Viel Freude beim Lesen unserer Ausgabe – und vielleicht auch beim Wiederhören oder eventuell sogar der Neuentdeckung Bob Dylans – wünscht Ihnen

Ihr
Jan Süselbeck