Orientierung im Exil

„Der Romanführer“, herausgegeben von Hans-Christoph Plesske, führt zielgerichtet durch die deutschsprachige Exilliteratur

Von Constanze FiebachRSS-Newsfeed neuer Artikel von Constanze Fiebach

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

75 Jahre nach der Bücherverbrennung, also 2008, ist der erste von zwei Teilen des „Romanführers“ zur deutschsprachigen Exilliteratur erschienen. Er dient nicht nur als Informationsquelle, sondern kann zugleich als Mahnmal gesehen werden, weil er an Autoren und Werke erinnert, deren Namen teilweise so gut wie vergessen sind.

„Der Romanführer“ versteht sich als Hilfsmittel bei der Beschäftigung mit der literarischen Exilthematik, das zusätzlich zu literaturwissenschaftlichen Untersuchungen und der vorhandenen Sekundärliteratur herangezogen werden kann. Besonders bei der Frage danach, inwieweit die Exilautoren das Bleibende des deutschen Schriftstellertums von 1933-1945 repräsentieren, möchte das Nachschlagewerk dem Interessierten zur Seite stehen.

Trotz eines umfangreichen vorhandenen Textkorpus an Exilliteratur, musste eine Auswahl getroffen werden. Diese basiert auf den Katalogen der Exilsammlungen der deutschen Nationalbibliothek und umfasst „wesentliche Romane, Erzählungen, Novellen und Prosasammlungen […], exemplarisch auch Titel der Kinder- und Jugendliteratur sowie einige herausragende autobiographische und dokumentarische Berichte“. Die ausgewählten Texte sind alle im Exil zwischen 1933 und 1945 entstanden und dort erstmalig gedruckt und veröffentlicht worden, teilweise auf Deutsch, teilweise in der Sprache des jeweiligen Exillandes. Einen Sonderfall stellt die jüdische Exilliteratur dar, die in die Auswahl aufgenommen wurde. Werke, die zwar im Exil entstanden sind, aber erst später veröffentlicht wurden, finden keine Berücksichtigung.

Die Einleitung des Buches bietet bereits eine Menge an Informationen. Sie ist nicht nur eine Einleitung in das Buch, sondern zugleich eine Einführung in die behandelte Zeit und das Leben der im Exil lebenden Schriftsteller. Der historische Hintergrund der Exilzeit wird beleuchtet und dieser in Zusammenhang mit dem damaligen Literaturbetrieb gesetzt. So erfährt man, wieso es viele kürzere Prosawerke aus der Zeit gibt und wie sich die Zeitumstände in einigen konkreten Werken niederschlagen. Eine kurze literaturwissenschaftliche Einschätzung der Epoche hilft dabei, die Werke im Kontext zu sehen – und der Hinweis auf weniger bekannte und kaum politische Belletristik erweitert den Blick auf die Exilliteratur um einen wichtigen und interessanten Aspekt. Und besonders spannend ist es zu erfahren, was nach dem Krieg geschah.

Sehr benutzerfreundlich wird der „Romanführer“ durch seine Register, die sich in Personen-, Ort- und Sachwortregister teilen und durch ein Verlagsverzeichnis mit Ort ergänzt werden. Die einzelnen Einträge geben eine kurze biografische Notiz zum Verfasser/zur Verfasserin und nennen neben Erscheinungsjahr, -ort, Verlag und Umfang, auch Ort und Zeit der Handlung. Ebenso enthält jeder Eintrag eine Einschätzung zur Art des Textes, also ob es sich um einen Familienroman, einen Historischen Roman, einen Liebesroman oder ähnliches handelt. Dadurch lässt sich gezielt auswählen, welche Einträge unter welcher Fragestellung hilfreich sein können. Zusammen mit den Registern ist eine gezielte Textsuche bestens durchführbar. Dass nur der Exil-Verlag und keine weiteren Auflagen verzeichnet sind, tut dem keinen Abbruch. Die Inhalte der behandelten Werke sind möglichst wertungsfrei und anschaulich zusammengefasst.

Besonderes Lob verdient der Entschluss, alle Original-Zitate und Begriffe in ihrer ursprünglichen Schreibweise zu belassen und nicht auf sogenannte „bereinigte“ Textfassungen zurückzugreifen.

Titelbild

Hans Ch Pleßke: Der Romanführer. Deutschsprachige Exilliteratur (1933-1945). Erster Teil: A-M.
Hiersemann Verlag, Stuttgart 2008.
301 Seiten, 168,00 EUR.
ISBN-13: 9783777208084

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