How does it feel

Tino Markworths Biographie über den Gefühlskünstler Bob Dylan

Von Thomas AnzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Anz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Über Bob Dylans Leben ist viel geschrieben worden, auch von ihm selbst. Und vieles ist dabei im Dunkeln geblieben. So ist beispielsweise nicht bekannt, wie oft er bisher verheiratet war und wie viele Kinder er hat. Dylan, der seine jüdische Herkunft über viele Jahre hinweg verschwieg, erklärte dazu später unter Berufung auf das Alte Testament: „Jakob hatte vier Frauen und dreizehn Kinder, aus denen ein ganzes Volk wuchs. Das sind auch meine Wurzeln.“

Nachzulesen ist das in der bislang neuesten Bob Dylan-Biographie, die der Literaturwissenschaftler und Publizist Tino Markworth gerade rechtzeitig zum 70. Geburtstag des „Singer-Songwriters“ in der Reihe Rowohlts Monographien vorgelegt hat. Die Biographie ist flüssig lesbar, zitier- und wertungsfreudig, anekdotenreich, informativ und anregend. Dass die dargelegten Fakten und die zahllosen Zitate nicht unbedingt mit der wissenschaftlichen Akribie belegt sind, die man von einem Philologen erwartet, und dass kaum sichtbar ist, was die Biographie älteren Lebens- und Werkbeschreibungen verdankt, ist der ein breites Publikum anvisierenden Buchreihe vielleicht angemessen. Und es passt gerade auch zu einem Künstler wie Bob Dylan, der permanent auf Texte und Melodien anderer zurückgegriffen hat.

Markworths Biographie setzt dabei immerhin etliche eigene Akzente. Wie sehr Bob Dylan James Dean bewunderte und wie nachhaltig Elvis Presley, ist so stark wohl noch nicht hervorgehoben worden. Und in geradezu penetranter Hartnäckigkeit informiert der Autor bei jedem Dylan-Album über Erfolge und Misserfolge bei der Musikkritik, in den Hitparaden und beim Verkauf. „Oh Mercy“ sei bei den Rezensenten gut angekommen, doch die Platte „erreichte nur Platz dreißig der Hitparade und verkaufte sich damit wenig besser als Empire Burleske“. Oder „Slow Train Coming“ sei nach „Desire“ „für mehr als zwanzig Jahre das einzige Album, von dem innerhalb weniger Monate mehr als eine Million Exemplare verkauft wurden“.

Gewichtiger mögen da manchen Lesern zum Beispiel die Hinweise auf die Bedeutung des Todesthemas seit den frühesten Songs erscheinen. Markworth spricht, ähnlich wie schon Heinrich Detering in seiner Einführung, von einer Obsession, von der „Todesobsession“ einer ganzen Generation, hervorgerufen durch die damaligen Ängste der Jugend vor einem Atomkrieg. „Zu der Todesobsession seiner Generation gesellten sich Dylans persönliche Ängste vor einem jähen Ende, die in seinen Kindheitserfahrungen wurzelten. Er hatte miterlebt, wie von einem Tag auf den anderen die Hoffnungen und Träume seines Vaters [Abraham Zimmermann] zerstört wurden. Tagtäglich, wenn er Abe humpeln sah, wurde er mit der Möglichkeit des plötzlichen Endes eines einst vielversprechenden Lebens konfrontiert. Der Tod wurde zu einer Manie Dylans.“ Dylan selbst schrieb über sich: „eigentlich hatte ich am meisten Angst vor dem Tod in jenen ersten Jahren in New York“. Die Kubakrise im Oktober 1962 bestätigte und verstärkte solche Ängste. „Dylans Todesängste“, so Markworth, trieben ihn „zur Eile an, seine künstlerische Botschaft rasch unter die Leute zu bringen.“ Dylan selbst bekannte: „Ich wollte nicht sterben. Ich flog im Flugzeug mit dem Wunsch, nicht zu sterben, denn ich hatte noch etwas zu sagen. […] Ich wollte jemand sein, den man nicht vergessen würde.“

Vielleicht allerdings hat diese Todesobsession etwas mit Bob Dylans Wünschen zu tun, sich selbst zu emotionalisieren – zugunsten einer Kunst, die vor allem eins wollte: emotionale Wirkung beim Publikum. Das entspräche jedenfalls einem anderen Aspekt von Markworths Einschätzung. Bezeichnend dafür ist das Dylan-Zitat, mit dem er seine Biographie beendet: „Ich schreibe Songs, weiter nichts. […] mir geht es um Gefühle, nicht um Politik, organisierte Religion oder gesellschaftliche Aktivität. Was ich mache, hat mit Gefühlen zu tun. Diese anderen Sachen werden verschwinden. Sie werden die Zeit nicht überdauern“ (von Markworth zitiert aus Scadutos „Eine indiskrete Biographie“ von 1979). Schon vorher hatte Bob Dylan einmal erklärt: „es geht nicht darum, zu verstehen, was ich schreibe, sondern, es zu fühlen.“ An einer Stelle geht Markworth auf den Einfluss der Lieder Robert Johnsons ein und berichtet, er habe sie bis ins letzte Detail analysiert, „um ihrer emotionalen Wirkung auf die Spur zu kommen“.

Wie sich die Emotionalisierungskünste Bob Dylans mit seiner durch die langjährige Freundin Susan Rotolo inspirierten Begeisterung für Brecht vertragen, der seinem Publikum das Fühlen zugunsten des Denkens und kühlen Beobachtens austreiben wollte, bleibt dabei allerdings ungeklärt.

Titelbild

Tino Markworth: Bob Dylan. Biographie.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2011.
160 Seiten, 8,99 EUR.
ISBN-13: 9783499505607

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