Südafrikanische Politikstücke

Malla Nunn setzt ihre Südafrika-Reihe um Emmanuel Cooper fort

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Malla Nunn hat, wie viele Autoren, von der erhöhten Aufmerksamkeit profitiert, die Südafrika im letzten Jahr auf sich gezogen hat. Wo Fußball gespielt wird, sollen auch Krimis gelesen werden – Hauptsache, der Spielort stimmt. Das hat allerdings tatsächlich eine Reihe von Autoren gefördert, die sonst vielleicht länger gebraucht hätten, um sich durchzusetzen, eben auch Malla Nunn, die mit „Ein schöner Ort zu sterben“ einen beachtlichen Auftritt hinlegte.

Mit „Lass die Toten ruhen“ schließt Nunn nun an ihren Erfolgsroman an, durch ihre Hauptfigur, Emmanuel Cooper, durch den Schauplatz Südafrika und die Handlungszeit 1950er-Jahre: Das schraubt die Erwartungen in die Höhe, was böse enden kann. In diesem Fall zwar nur halbwegs, aber immerhin.

Die Grundanlage des Textes ist dabei erprobt: Das sich konsolidierende Apartheid-Regime in Südafrika spaltet eine ohnehin schon brüchige Gesellschaft noch weiter. Die Ressentiments gegen die Farbigen werden von den Weißen weidlich geschürt, wobei sie sich auch untereinander nicht grün sind: Die Engländer gegen die Holländer, eine alte Auseinandersetzung, mit der zwei ehemalige Kolonialkonkurrenten sich auch noch im 20. Jahrhundert befassen.

Das mag befremdlich klingen, allerdings hat diese rassistische Struktur eben nicht nur die südafrikanische Gesellschaft bis heute geprägt. Auch in der internationalen Politik hat dies in der Nachkriegszeit hohe Wellen geschlagen.

Für die Figuration eines Krimis wie dem von Malla Nunn hat dies jedoch reizvolle Folgen. Denn die zahlreichen Spannungen machen die Bewegungen der Figuren noch schwieriger. Die Grauzonen einer angeblich auf saubere Rassentrennung bedachten Gesellschaft lassen großen Gestaltungspielraum. Emmanuel Cooper kann davon sprechen, gilt er doch – obwohl weißhäutig – als Farbiger, zumindest so lange, bis man ihn wieder zum Weißen erhebt.

Dass Unsicherheit produktiv sein kann, ist eine alte Erkenntnis. In diesem Fall treibt sie den Helden, Cooper, an, der eben nicht nur sein Überleben sichern will, sondern auch noch in seinen alten Status zurückkehren möchte.

Den hat er durch seinen hartnäckigen Einsatz für das, was man Wahrheit nennt, verloren. Er ermittelt nicht mehr für die Mordkommission (siehe den Vorgängerroman), sondern arbeitet meistenteils auf einer Werft. Wenn er denn nicht für seinen alten Mentor van Niekerk unterwegs ist, der Cooper belastendes Material gegen korrupte Polizisten sammeln lässt.

Bei einer seiner Beobachtungstouren entdeckt Cooper zwei junge Inder an der Leiche eines Slum-Kindes, das offensichtlich ermordet wurde. Die beiden Inder sind die willkommenen Sündenböcke, aber sie sind anscheinend nicht die Täter. Was allerdings der südafrikanischen Polizei egal ist, Hauptsache ein Schuldiger ist ausgemacht.

Und nachdem die Inder ausfallen, nehmen sich die ehemaligen Kollegen den verdächtigen Semi-Weißen vor, der anscheinend auch am Fundort der Leiche gewesen ist (seine Taschenlampe findet sich dort). Van Niekerk kann ihn zwar aus dem Gefängnis auslösen, das Ganze ist aber nur befristet: Cooper hat 48 Stunden Zeit, den wahren Täter zu finden, sonst ist er dran.

Zeitknappheit ist in Krimis ein beliebtes Mittel, um die Spannung hoch zu halten. Der Held wird immer atemloser, je mehr Zeit verstreicht, die Szenen wechseln sich rasch ab, an Schlaf ist nicht zu denken, dafür müssen immer schneller Entscheidungen getroffen werden – was fatale Folgen haben kann. In Serien wie „24“ ist das der Garant für falsche Entscheidungen, die allerdings die Handlung fleißig vorantreiben. Das ist auch hier der Fall, zumal Cooper, je länger der Roman dauert, desto mehr einer eher internationalen denn spezifisch inner-südafrikanischen Sache auf den Grund geht.

Denn der Junge ist kein Opfer eines Missbrauchs, sondern der Suche nach einem sowjetischen Informanten, der sich aus England abgesetzt hat. Die Toten, die sich merkwürdiger Weise im Umfeld Coopers zu häufen beginnen, sind, wie sich herausstellt, Kollateralschäden einer größeren Suche, bei der eine hinter dem anderen her ist, und der wieder hinter dem nächsten. Vorneweg Cooper, dem die Meute auf den Fersen ist, weil er anscheinend der einzige ist, der ordentlich Fährte aufnehmen kann.

Soweit so gut und spannend, die Lektüre kann die Spannung des Plots aber nicht bestätigen. Zu behäbig und umständlich bewegt sich Nunn durch ihren Text und treibt ihn mit aller Mühe voran. Ein lahmer Krimigaul, der mehr getragen werden muss, als dass er kräftig davongallopiert. Da hilft auch das Südafrika-Thema nicht.

Titelbild

Malla Nunn: Lass die Toten ruhen. Kriminalroman.
Übersetzt aus dem Englischen von Armin Gontermann.
Rütten & Loening Verlag, Berlin 2011.
383 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783352008009

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