Die Erforschung der Meditation

Ulrich Otts „Meditation für Skeptiker“ und für alle anderen auch

Von Patrick MenselRSS-Newsfeed neuer Artikel von Patrick Mensel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Zeiten, als Meditation noch als Esoterik oder bloßer Humbug abgetan wurde, sind lange vorbei. Kurse zur Meditation sprießen wie Pilze aus dem Boden, und sogar in den Managementetagen hat sie ihren Platz erobert. Gerne wird sie als Antistressbewältigung im Berufsalltag eingesetzt, doch einige haben noch ihre Zweifel: Bringt Meditation wirklich Vorteile und hat das nicht eigentlich etwas mit Religion oder gar Sekten zu tun? Muss man nicht Anhänger eines bestimmten Glaubens sein, um zu meditieren?

Diese Befürchtungen versucht Ulrich Ott dem Leser in seinem Buch „Meditation für Skeptiker“ gleich zu Anfang zu nehmen und die Möglichkeit einer weltanschaulich völlig neutralen Form der Meditation zu betonen. Ott kann auf eine langjährige Erfahrung als Meditationspraktizierender zurückblicken. Er selbst gibt Yoga- und Konzentrationskurse und spürt daher aus erster Hand, welchen psychischen und physischen Einfluss Meditation auf den Körper ausübt. Praktizierende schildern ihre Erlebnisse nicht selten als große Glücks- und Ruhemomente und genau diese Erfahrungen, die man auf subjektiver Ebene nur schwerlich nachweisen kann, versucht Ott als Psychologe an der Universität Gießen wissenschaftlich fundiert aufzubereiten. Es geht ihm letzten Endes um nichts anderes als um den Beweis, dass Meditation tatsächlich so funktioniert, wie es schon seit tausend Jahren überliefert wurde.

Genau hier setzt also Ulrich Ott an, wenn er dem Leser schildert, dass Meditationsübungen schon nach einer relativ kurzen Zeit von sechs Wochen einige gewichtige Umwälzungen im Gehirn vollbringen können. So vermehre sich die graue Substanz in einigen Kortexregionen, beispielsweise im Hippocampus. Das dürfte selbst erbitterte Kritiker verstummen lassen. Allerdings sollte man sich keinesfalls von dem doch recht unpassend gewählten Titel verleiten lassen. Es geht Ott nicht darum, die Skeptiker und Zweifler der Meditation zu überzeugen und für immer zum Schweigen zu bringen. Solch ein Pamphlet hat Ott nicht geschrieben. Vielmehr ist das Werk als anschaulich und anregend geschriebene Einführung zu verstehen, die den aktuellen Stand der Meditationsforschung herausarbeitet und dem Interessierten einen Leitfaden in die Welt der Konzentrationsübungen bieten möchte.

Dabei hat Ott auch alle Hände voll zu tun, haben sich doch die wissenschaftlichen Artikel zum Thema Meditation seit dem Jahr 2003 bis heute fast verdreifacht, Tendenz weiter stark steigend. Es besteht kein Zweifel, dass die Wissenschaft die Meditation als lohnendes Forschungsfeld für sich gewinnen will. So überrascht es wenig, dass Ott dem gesundheitlichem Nutzen der Meditation ein eigenes Kapitel gewidmet hat. Es werden zunächst einmal die bekanntesten Methoden vorgestellt. Das sind unter anderem ein Suchtbehandlungsprogramm von Marlatt, die achtsamkeitsbasierte Therapie zur Rückfallprävention bei Depressionen von Segal und das Programm Stressbewältigung durch Achtsamkeit nach Kabat-Zinn (auch bekannt unter dem Kürzel MBSR: mindfulness-based stress reduction). Besonders der letzten Methode kommt eine zentrale Rolle zu, wenn es um die Heilung verschiedener Krankheiten geht. So wird sie erfolgreich bei Diabetes, Herzkrankheiten, Fettleibigkeit, Arthritis, Tinnitus, Immunschwäche (AIDS) oder bei Rehabilitation nach Hirnverletzungen eingesetzt.

Der Vorteil der Methode liegt darin, dass viele körperliche Erkrankungen mit Schmerzen einhergehen. Dies ruft bei den Betroffenen oftmals Stress hervor. Durch MBSR nimmt der Stress und mit ihm die psychische Belastung ab. Dadurch werden gezielt Selbstheilungskräfte freigesetzt. Eigene negative Einschätzungen über die Krankheit werden damit seltener und bleiben im besten Falle allmählich ganz aus, so dass statt dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit eine optimistische Einstellung zur Bewältigung der Krankheit erreicht wird.

Ott stellt dem Leser die fünf Wege zum Selbst über die Körperhaltung, das Atmen, das Fühlen, das Denken und das Sein dar. Er verknüpft sie mit der Meditationspraxis und schafft so einen recht anschaulichen Einstieg in die für Anfänger sicherlich schwierige Eingewöhnungszeit. Es ist sehr wichtig gerade zu diesem Zeitpunkt dem Praktizierenden einen klaren und in sich stimmigen Leitfaden zu präsentieren, damit nicht Frust und Ärger zu einer Abwendung von der Meditation führen und man sich um die Früchte der Konzentrationsübungen bringt. Ott weiß um diese Schwierigkeiten und kann sie nicht zuletzt wegen seiner eigenen Erfahrung klar umschiffen. Der interessierte Leser wird dieses Werk schnell zu schätzen wissen, da es aus dem recht ausuferndem Angebot an Meditationsliteratur hervorsticht und einen erfreulichen kleinen Meilenstein in der Meditationsforschung darstellt.

Titelbild

Ulrich Ott: Meditation für Skeptiker. Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst.
O. W. Barth Verlag, München 2010.
205 Seiten, 14,99 EUR.
ISBN-13: 9783426291009

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