Die ewige Suche nach der Liebe

Steinunn Sigurdardóttir erzählt in ihrem Roman von Muttersöhnchen und guten Liebhabern

Von Jutta LadwigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jutta Ladwig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Steinunn Sigurdardóttir ist eine der prominentesten Autorinnen Islands. Bereits im Alter von 19 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Gedichtband „Sífellur“ und wurde 1995 mit dem Isländischen Literaturpreis ausgezeichnet. Außerhalb Islands erreichte sie besonders durch ihre Romane „Herzort“ und den Bestseller „Der Zeitdieb“ große Beliebtheit. Jetzt legt sie mit „Der gute Liebhaber“ ihren neuen Roman vor. Im Zentrum stehen Muttersöhnchen und die große Liebe.

Frauenheld Karl Ástuson kehrt nach langer Zeit in seine Heimat Island zurück. An einem kalten Winterabend legt er eine Rose vor die Tür seiner großen Liebe und hofft, dass sie diese am nächsten Morgen findet und sich an Karl erinnert. Zu klingeln wagt er nicht, denn seine angebetete Una ist mit einem anderen verheiratet – einem eifersüchtigen Kerl, der sie, so vermutet Karl, wahrscheinlich auch schlägt.

Karl geht in eine Bar und wartet auf ein Taxi, als er Sigriður kennen lernt, Unas Nachbarin. Sie bietet ihm an, bei ihr zu übernachten. Karl ist unsicher, nimmt jedoch an. Gemeinsam überlegen sie, wie Karl seiner Una nah kommen kann, ohne dass Unas Ehemann etwas erfährt. Schließlich ruft Sigriður bei Una an und lockt sie unter einem Vorwand in ihr Haus.

Karls Plan geht auf: Una ist bereit für die Flucht aus Island und für ein gemeinsames Leben mit Karl. Karl ist glücklich und vertraut sich seiner Freundin an, der Psychiaterin Doreen Ash. Sie schreibt gerade an einem neuen Buch über Muttersöhnchen und einen guten Liebhaber. Bei der Lektüre beschleicht Karl ein Verdacht, wer damit gemeint ist und gerät mächtig ins Grübeln über sich, die Liebe und das Glück.

Hauptfigur Karl bekommt bereits auf den ersten 100 Seiten seine große Liebe Una zurück. Feinfühlig und berührend erzählt Steinunn Sigurdardóttir die Liebesgeschichte der beiden, die schon in Kindertagen beginnt. Doch dies ist erst der Anfang der Geschichte. Immer wieder erinnert sich Karl an seine Mutter, die er ebenfalls sehr geliebt hat. Ja, er ist insgeheim auch so ein Muttersöhnchen, von dem die Psychiaterin Doreen Ash spricht. Und wirklich meint der Leser, dass der Geist von Karls Mutter über all seinen zahlreichen Affären schwebt. Vielleicht ein Grund für Karls Bindungsangst?

Zunächst weckt Steinunn Sigurdardóttir im Leser das Bild des romantischen Liebhabers Karl, der in Una seine Idealfrau gefunden hat und nie eine andere wollte. Doch schon bald zerstört die Autorin dieses Bild, indem sie von Karls ehemaligen Liebhaberinnen erzählt. Die müssen verschiedene Auflagen erfüllen, damit es überhaupt erst zum äußersten kommt – und gewisse Ähnlichkeiten mit Karls Mutter haben, wie die Leser unschwer zwischen den Zeilen herauslesen können.

Es sind nicht wenige Liebhaberinnen, die Karl hat. Darunter auch Doreen Ash. Diese verstößt zwar schamlos gegen Karls Regeln, dennoch besteht zwischen beiden eine besondere Anziehungskraft. Doreen durchschaut Karl und führt ihm mit ihrem fachkundigen Blick die Wahrheit über sein Verhältnis zu seiner Mutter gnadenlos vor Augen.

Zwischen Doreen und Karl entwickelt sich eine tiefe Freundschaft. Doreen ist auch diejenige, die Karl auffordert, sich um Una zu bemühen. Doch der neue Bestseller von Doreen – ein Roman, der Wissenschaft und Prosa vereint – wirbelt Karls Gedanken gehörig durcheinander. Denn „Der gute Liebhaber“ ist für Doreen Karl höchstselbst.

Steinunn Sigurdardóttir lässt ihre Hauptfigur grübeln, sich die Frage stellen: Warum das alles. Und wie war das Verhältnis zu Doreen wirklich? Liebte sie Karl? Eine Antwort bleibt Doreen Karl schuldig, denn nach ihrer Buchpräsentation begeht sie Selbstmord.

Steinunn Sigurdardóttir schickt ihre Figur Karl auf eine turbulente Suche nach Liebe und Sehnsucht. Klar und sinnlich beschreibt sie diese Tour de Force; rastlose Sehnsucht trifft auf dauerhaftes Glück mit der idealen Frau. Meisterhaft setzt Steinunn Sigurdardóttir Ironie ein und verknüpft romantische Komödie mit Tragödien, die jeder Gedanke mit sich bringt. Und trotzdem berührt diese ruhige Liebesgeschichte die Leser in jedem Moment.

„Der gute Liebhaber“ zeichnet ein frisches Bild der Liebe, voller Humor und Wärme, dass es ein Vergnügen ist, den Figuren auf ihrer Suche nach Liebe und Glück zu folgen.

Titelbild

Steinunn Sigurdardóttir: Der gute Liebhaber. Roman.
Übersetzt aus dem Isländischen von Coletta Bürling.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2011.
223 Seiten, 17,95 EUR.
ISBN-13: 9783498064174

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