Verschwommenes Philosophieren

John von Düffels Schwimm-Schwärmereien

Von Tim HeptnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Tim Heptner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wissen Sie etwa nicht mehr, wann Sie zum letzten mal Schwimmen waren? Oder sind Sie passionierter Wassersportler und ziehen regelmäßig Ihre Bahnen? Dann geht es Ihnen vielleicht wie dem Erzähler in John von Düffels Erzählband "Schwimmen".

Dieser wünscht sich allerdings nichts lieber, als endlich wieder schwimmen zu können. Fieberkrank liegt er daheim und muss sich schonen - so überlässt er sich dem "Schwimmen und Geschwommen-Werden durch den Strom der Erinnerungen, der seiner eigenen Bestimmung folgt." Schon treibt er vorbei, an den Stationen seiner Leidenschaft: Das kindliche Schwimmen im Urlaub und das Schulschwimmen, das Schwimmen bei Regen und das Schwimmen im Fluss.

Der Erzähler beschwört eine regelrechte Wasser-Sozialisation und stimmt eine Hymne auf das Kraul- und Langstreckenschwimmen an: Das Training ist ein "gnadenloser Wettlauf mit der Zeit", und zum Zwecke der "Wassergleichheit" werden "täglich mindestens zwei, drei Kilometer Wasser niedergekämpft". Aus diesen nassen Lektionen entsteht seine kleine Philosophie, in der Einigkeit und Gleichheit zwischen den Schwimmkameraden herrscht und wo die "Gnade des Wassers" selbst zur "Unaufhörlichkeit von Wasser, Bewegung und Atem" führt.

Schwärmerisch und idealisierend vollzieht sich der Abschied vom Land, bei dem der Geist transzendiert ("Ich schwimme nicht, ich schaue mir beim Schwimmen zu") und das Wasser zum Wesen stilisiert wird. Nur die Liebe wird nicht gefunden: In zwei Episoden können Freibad und See den Schwimmer mit der Schwimmerin nicht zusammenbringen, so dass die intime "Wechselrede von Wasser und Körper" auch den Charakter einer autoerotischen Obsession gewinnt.

Unter Wasser sieht man bekanntlich nicht besonders klar, und so entwickelt der schwimmende Philosoph reichlich verschwommene Begrifflichkeiten und Metaphern, die sich zudem so gleichförmig wiederholen wie die Anschläge eines Schwimmers am Beckenrand.

Für den nächsten Ausflug ins Schwimmbad braucht es derlei Passionen gewiss nicht.

Titelbild

John von Düffel: Vom Wasser.
DuMont Buchverlag, Köln 1998.
19,80 EUR.
ISBN-10: 3770145577

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