Ein Satz, wie er sein soll

Der Sammelband „Seitenweise“ stellt sich die Frage, was das Buch sei

Von Martin A. HainzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin A. Hainz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Buch über das Buch – das gibt es immer wieder, hier aber in sehr geglückter Weise, und zwar schon das Layout betreffend. Das Buch, das informiert, was das Buch sei, tut dies hier schon einmal so: Es zeigt zunächst einmal, was Buch auch sein könnte und sollte, sowohl optisch als auch haptisch.

Dem guten ersten Eindruck folgen viele weitere, die stark sind. So sind die Einlassungen vor allem konkreter Natur sehr lesenswert, worin die Typografie Gutenbergs mit ihrem Aufwand, der Typenvielfalt und der Ästhetik der Typenkomposition vorgeführt wird. Stephan Kurz’ Beitrag zeigt davon ausgehend, was einen Schriftsatz ausmacht, in einer gelungenen Einführung in diese Facette des Gegenstandes. Lesegewohnheiten differieren indes, womit als Komplement Ernst Strouhals Text gelesen werden könnte, der die Eile reflektiert: „Lesen ist Blättern. Blättern Sie um.“

Der lebensrettende Langenscheidt H.C. Artmanns, der eine Kugel ablenkte, ist ein schönes Beispiel für essentielle Literatur. Überlegungen zur Überlieferung von Aleida Assmann zeigen andererseits, dass Verbreitungsgrade Zeitphänomene sind und Kanonisierung unabsehbar ist. Bibliomanie und der Zynismus, Multikulturalität als Ausdifferenzierung eines Marktes und mehr nicht zu sehen, sind wiederum antipodische Phänomene, die hier mit Gewinn diskutiert werden, auch übersehene Bücher – man sieht nur, was man weiß – finden Beachtung. Die Eigenart, dass, wer liest, Zeichen deutet und suspendiert, bedenkt Mitherausgeber Thomas Eder, der ein Garant für Kluges ist.

Naturgemäß schwankt bei vielen Beiträgern das Niveau eines Bandes; auch hier: Das merkt man schmerzlich, wenn man dreißig Seiten lang durch „andere Verwendungsformen“ des Buches flanieren soll, worin der Verfasser des so betitelten Textes durchgängig an einer Systematik ebenso wie am Witz, der dem Projekt grundsätzlich eignen müsste, scheitert. Doch die Texte, die sich auf prima vista fast zu Spezielles ernsthaft einlassen, gewinnen dafür Perspektiven aufs Ganze. Johanna Rachinger etwa stellt Wittgenstein anhand von Faksimiles wunderbar vor, um dabei wie nebenbei die Medialität des Buches akkurat zu skizzieren.

Die Beiträge sind dabei stets auffallend schön gesetzt. Abbildungen, Faksimiles und dergleichen mehr zieren den Band, ohne ihn „zuzuschmücken“, und es verschönert den Band schließlich auch, dass drei Beiträge auf Wunsch der Verfasser in alter Rechtschreibung belassen wurden.

Alles in allem: Ein Buch, das den Status quo, aber auch die U- und Dystopien all dessen, was Buch sei, mit Gewinn für wohl jeden Leser ins Auge fasst.

Titelbild

Thomas Eder / Peter Plener / Samo Kobenter (Hg.): Seitenweise. Was das Buch ist.
Edition Atelier, Wien 2010.
478 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-13: 9783902498335

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