Manuskript für Mao

Hanser erweist Philip Roth einen Bärendienst

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gibt Grenzen der Übersetzbarkeit literarischer Werke, aber der Ehrgeiz der Verlage und auch der Übersetzer scheint größer zu sein als die Achtung vor einem Kunstwerk. Mit einem solchen Fall haben wir es bei dem neuen Roman von Philip Roth zu tun. Aus gutem Grund ist dieses 27 Jahre alte Werk bisher nicht auf Deutsch erschienen, denn es handelt von einem betagten Journalisten, der ein eigenwilliges Faible bis zum Exzess pflegt: Alliterierende Überschriften für seine Artikel.

Der Protagonist Word Smith, der Vorname ist Programm, denkt und schreibt nur in Alliterationen, so dass ihm sein Arzt mit auf den Weg gibt: "Wenn sie ihren 88. Geburtstag erleben wollen, geben sie die Alliterationen auf." Doch das wäre so, als wenn man Smith das Denken verbieten würde. Er ist putzmunter, streitsüchtig und auch eine gute Portion größenwahnsinnig.

Smith, der alte Sportjournalist, will nämlich den großen amerikanischen Roman schreiben - eine Enthüllungsautobiographie, für die er sich auch schon einen Titel ausgedacht hat: Ein Pfuscher in den Pfoten der Pfennigfuchser. Von solch krampfhaft alliterierenden, aber nichtssagenden Sätzen wimmelt es im neuen (alten) Roth-Epos. Verlag und Übersetzer kennen wirklich keine Gnade, denn was den Lesern an übersetzten Stabreimen teilweise zugemutet wird, überschreitet die ästhetische Schmerzgrenze um einige Zoll.

Der Protagonist hat sich viel vorgenommen; er will die Zusammenhänge zwischen Politik und Sport demaskieren. Es geht um die Existenz einer amerikanischen Baseball-Liga, die wegen kommunistischer Unterwanderung aufgelöst wurde und fortan aus den Köpfen und aus den Geschichtsbüchern verbannt wird.

Word Smith will diese unselige Verquickung anti-kommunistischer amerikanischer Politik mit dem Nationalsport Nummer eins veröffentlichen, doch niemand interessiert sich für seine Recherchen. "Smitty" - wie er von Freunden auch noch im hohen Alter genannt wird - fühlt sich wie der gerade in den USA angekommene Schriftsteller Alexander Solschenizyn. Nichts gegen Vergleiche, aber der Protagonist erleidet einen gewaltigen Sympathieverlust dadurch, dass er sich mit dem großen russischen Schriftsteller auf eine Stufe stellt.

Irgendwie ist der von seiner Enthüllungsstory gefesselte Smith von der Volksweisheit, dass der Prophet im eigenen Land nicht zählt, so besessen, dass er sein Manuskript nach China schickt - an den großen Mao, mit der Bitte um Veröffentlichung im kommunistischen China.

Vor 27 Jahren hätte man diese politische Tragikomödie noch mit großer Aufmerksamkeit und Faszination verfolgt, doch heute wirken Smiths verbohrte Anstrengungen wie ein fader Anachronismus.

Dem großen Romancier Philip Roth, der in den letzten Jahren im deutschen Sprachraum mit seinen Romanen "Mein Mann, der Kommunist" (1999) und "Amerikanisches Idyll" (1998) große Erfolge feierte, hat man mit dieser späten Veröffentlichung einen Bärendienst erwiesen. Hätte sein Protagonist Word Smith das letzte Wort, er würde urteilen: ganz gelinde gesagt - gescheitert.

Titelbild

Philip Roth: The Great American Novel.
Carl Hanser Verlag, München 2000.
448 Seiten, 25,50 EUR.
ISBN-10: 3446199195

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch