Kölle kicke

Was unterscheidet die mittelgroße Stadt von der Großstadt? Werner Schäfke und Roman Heuberger demonstrieren dies an Köln und seinen Fotobüchern

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Jede Stadt hat ihren Ruf, mit jeder Stadt verbinden die Auswärtigen irgendetwas, zumindest dann, wenn sie einigermaßen bekannt ist. Und Köln ist bekannt. Eine Stadt, die den Dom als Symbol deutscher Einheit vor 1900 beherbergt, die Bischofsstadt, zudem die Stadt der romanischen Kirchen, die Stadt, die im zweiten Weltkrieg nahezu völlig zerstört wurde und sich danach (dank des Kölsch?) als hartnäckig vital erwies, eine Stadt schließlich, die sich international durch Karneval und Klüngel in den Medien hält – es gibt genug über Köln zu erzählen, und Köln gibt genug Material her.

Eben auch für Fotos. Wie in allen Städten dieser Größe und von einer Geschichte mit dieser Tiefendimension hat Köln eben auch feste visuelle Ankerpunkte: den Dom, den Rhein, die romanischen Kirchen, den Karneval. Den Verlust der mittelalterlichen Stadt, die sich nur noch in der Enge der Innenstadt und im Verlauf der Gürtel bemerkbar macht, hat Köln gut überstanden. Die Stadt gilt als atmosphärisch dicht und lebensfreundlich, und das obwohl die Bausünden der Nachkriegsjahrzehnte unübersehbar sind. Aber sie spielen weder im Selbstverständnis der Bewohner noch in der Wahrnehmung der Fremden eine besondere Rolle. So als ob die Häuser und Straßenansichten nur eine marode Fassade wären, die mit jeder Jahrhundertkatastrophe ausgetauscht werden könnten, ohne dass sich am Leben dahinter irgendetwas ändern würde.

Den Dom, den Rhein und die Kirchen finden sich denn auch überall und immer wieder, gerade im Fotobuch, das ja seine Entwicklung aus dem Reiseführer und der touristischen Information nimmt. Der Ansicht der Stadt gilt das vornehme Interesse, und Köln hat im Programm der visuellen Hauptattraktionen des Deutschen Reiches bereits seinen Platz gefunden und behauptet, so auch in der Bundesrepublik.

Auch in der Fotografiegeschichte hat die Stadt, die eben nicht nur eine bedeutende fotografische Sammlung im Ludwig Museum beheimatet, ihren Platz gefunden: Es sind Fotografen wie August Sander oder Chargesheimer, die Köln als Fotografenstadt bekannt gemacht haben, auch wenn die Stadt lange vor allem das Erbe Sanders vernachlässigt hat. Aber wer ist vor grandiosen Fehlurteilen gefeit? Nicht einmal die Kölner.

Das Fotobuch, wie es in der von Werner Schäfke und Roman Heuberger bearbeiteten Sammlung vorgestellt wird, nimmt auf solche Aspekte überhaupt keine Rücksicht, wofür zu danken ist. Der Band, der auf eine Sammlung Werner Schäfkes zurückgeht, wählt nämlich nicht den Kunstansatz und geht nicht auf Ausstattung oder Qualität ein, sondern gründet sich auf eine möglichst breite Basis. Ein Fotobuch ist den beiden Bearbeitern alles, was einigermaßen gebunden ist und in dem Fotos im Vordergrund stehen. Köln als Sujet ist thematisch vorgegeben, wobei allerdings auch Produkte von Kölnern ausnahmsweise Eingang gefunden haben.

So reicht das Spektrum vom aufwendig gestalteten Künstlerbuch bis hin zum Kölner Bar- und Clubquartett. Kalender sind meist ausgeschlossen geblieben, und dennoch ist eine Vielzahl unterschiedlicher und variantenreicher Dokumente zusammengekommen, die von den beiden Bearbeitern meist sehr persönlich kommentiert werden. Dass die Kommentare gelegentlich tief in die Sentimentenkiste reichen, sei den beiden verziehen. Hier geht es ja auch nicht um eine Anamnese, und es geht auch um keine sachliche Analyse, sondern Schäfke und Heuberger sind vornan dabei in Sachen Köln-Bild-Produktion.

Eingeteilt ist die Sammlung in sechs Kapitel, in die Exkurse mit kleineren Abhandlungen eingestreut sind, von denen der von Wolfgang Vollmer zu den Misserfolgen unter den Fotobüchern wohl das größte Interesse auf sich ziehen kann. Köln-Bilder, Köln in Trümmern, Köln im Rückblick, der Dom, Köln im Detail und Köln lebt – die Einteilung ist grob gestrickt, um möglichst viele verschiedene Fotobücher unter die Hüte fassen zu können. Das schadet nichts, bleibt aber in seiner Struktur auch ein wenig unscharf.

Das Fazit dieses Exkurses ist freilich kein Wunder: Aus den Desastern der Vergangenheit sind mittlerweile die Raritäten von heute geworden. Interessant ist dieser Exkurs jedoch vor allem, weil er zeigt, wie sehr sich das Ensemble der Kölnbilder doch von den fotohistorisch extraordinären Bildern der Misserfolge unterscheidet. Mit anderen Worten, ohne dass irgendjemand das steuern konnte, ist das Kölnbild vor allem vom Tourismus geprägt. Der Kölner will seine Stadt nicht schäbig, sondern vital, und seine Besucher stimmen dabei mit ihm überein. Alles, was dem widerspricht, bleibt marginal.

Wenn also Paris die Stadt der erotischen Träume, London die Stadt des Pop und Rom die Stadt der Antike ist – was ist dann Köln? Die Stadt, die den ganzen Tag auf den Dom schaut, um zu wissen, wo man ist? Beinahe ist das so. Was eben nicht bedeutet, dass Köln nicht tatsächlich seinen auch fotografischen Reiz hat – wie die zahlreichen Exempel, die Schäfke und Heuberger zusammengetragen haben, zeigen.

Titelbild

Werner Schäfke / Roman Heuberger: Köln und seine Fotobücher. Fotografie in Köln, aus Köln, für Köln im Fotobuch von 1853 bis 2010.
Emons Verlag, Köln 2010.
287 Seiten, 68,00 EUR.
ISBN-13: 9783897057906

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