Bernhard zum Angucken

Thomas Bernhards „Alte Meister“ als Graphic Novel

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Warum schaut man sich so einen Versuch überhaupt an? Thomas Bernhard als Bilderbuch! Weil man neugierig ist. Man ist neugierig, wie ein Wortkunstwerk des österreichischen Allgemeinbruddlers in eine chronologisch geordnete Bildgeschichte umgesetzt werden kann. Dabei hat man zunächst wenig Bedenken, ist Bernhards 1985 erstmals erschienener Roman doch mit einem einigermaßen erzählfreundlichen chronologischen Faden ausgestattet, an dem sich eine Bildgeschichte gut orientieren könnte.

Die Illustrationen sind von Nicolas Mahler. Auf dem Gebiet der Illustration und Zeichnung kein Unbekannter, legt er hier auf 160 Seiten eine Folge von lässigen und lockeren Zeichnungen vor, die die Hauptfiguren Reger, Irrsigler und Atzbacher charmant charakterisieren. Dabei hält er sich zwar eng an die Bernhard‘sche Textvorlage, aber die mehrfach gebrochene Ironie, die negativierten Verneinungen und Sprachspiele sind in Zeichnungen kaum wiederzugeben. Und auch wenn es eine unterhaltende „Lektüre“ ist, bleibt am Ende doch das Bedürfnis, die „Textfassung“ der „Alten Meister“ zur Hand zu nehmen, und sich noch einmal den Text frei von Bildern zu widmen – um letztendlich einen breiteren Assoziationshorizont zu öffnen.

Vielleicht ist Bernhard, der vor allem als Autor über die Brillanz seiner Sprache „funktioniert“, nicht das geeignete Objekt für eine Graphic Novel. Was aber funktioniert, ist, wie Bernhard es formuliert, das selektive Lesevergnügen: „Meine Art zu lesen ist die eines hochgradig talentierten Umblätterers, also eines Mannes, der Dutzende, unter Umständen Hunderte von Seiten umblättert, bevor er eine einzige liest.“ Ja, so geht das. Aber ob das Thomas Bernhard neue Leserpotentiale erschließt, ist kaum zu vermuten. Zusammenfassend eine gute Idee, auf die man als Leser verzichten könnte.

Titelbild

Thomas Bernhard: Alte Meister. Graphic Novel.
Gezeichnet von Nicolas Mahler.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011.
160 Seiten, 18,95 EUR.
ISBN-13: 9783518462935

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