Schluss mit lustig

Markus Kavka über die Schwierigkeiten, den richtigen Weg zu finden

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist nicht das erste Buch von Markus Kavka, aber es ist sein erster Roman. Und dieser Roman, könnte man vermuten, ist in Teilen autobiografisch. Georg, der Protagonist des Romans, erinnert in einigen Aspekten an biografische Einzelheiten aus dem Leben des Autors. Soweit, so gut. Kavka lässt Georg darum kämpfen, erwachsen zu werden. Allerdings dauert es ein wenig, bis die Hauptfigur dieses Problem erkennt. Dies ist jedoch Teil der Entwicklungsgeschichte des Romans. Man könnte fast meinen, man liest eine Variante des „Simplicius Simplicissimus“, wenn die Eskapaden Georgs beschrieben werden: Gregor Herzl verliert seinen Job als Moderator des TV-Musiksenders Pop TV. Er ist vierzig Jahre alt und man nimmt ihm den Berufsjugendlichen nicht mehr ab. Er ist unglaubwürdig geworden. Er ist zu alt.

Als Georg kurz darauf seine Freundin Wilma, eine aufstrebende Schauspielerin, mit einem anderen Mann im Bett erwischt, ist auch noch die Freundin weg. Sein bisheriges Leben bricht innerhalb kurzer Zeit in sich zusammen. Depressiv und ratlos ist der einzige Ausweg, den er für sich sieht, zurück in die bayrische Provinz zu flüchten, in seine Heimatstadt Rottenegg. Er zieht bei seinen Eltern in sein ehemaliges Jugendzimmer ein. Dort in der Provinz leben immer noch die alten Kumpels und man beargwöhnt den erfolgreichen Medienstar aus der Großstadt. Seine eigene Einschätzung fällt deutlich positiv aus: „Für ein paar kurze Wochen war ich so dermaßen im Einklang mit der Welt in Rottenegg und Umgebung, dass ich mir nicht vorstellen konnte, je wieder anders zu leben.“ Dies mag nicht unwesentlich an der emotionalen Zuwendung liegen, die er in der Provinz erfährt: „Auch wenn wir so gut wie nie über Wilma, die Drogen, Berlin oder PTV redeten, schien er [der Vater des Erzählers, A. d. V.] das meiste zu wissen, und ein simples ‚Wird schon‘ von ihm baute mich mehr auf als drei Wochen bei Dr. Riemers.“

Georg findet eine neue Freundin, beginnt wieder als DJ in einer Dorfdisko zu arbeiten und bekommt sogar einen Job als Moderator bei einem lokalen Fernsehsender. Aber ebenso wie zuvor in Berlin stellt sich eine Ernüchterung ein: der Job langweilt ihn, die Freundin verliert an Attraktivität und Georg lässt die persönliche Unzufriedenheit in ein sexuelles Abenteuer mit der Frau seines „besten Freundes“ münden – und wird dabei von ebendiesem überrascht. Er verlässt Rottenegg wie er zuvor Berlin verlassen hat.

Letztendlich thematisiert Kavka die Schwierigkeiten, die man hat, wenn man mit der Sinnfrage konfrontiert wird. Der Protagonist von Kavkas Roman versucht seine Unzufriedenheit durch einen Ortswechsel zu beheben. Dies kann, muss aber nicht zur Bewältigung einer Lebenskrise beitragen. Seine Handlungs- und Verhaltensmuster ändert Georg nicht und rutscht – zurück in Berlin – zusammen mit Wilma in eine ähnliche Situation wie zuvor hinein. Und kommt wiederum in eine Krisensituation, die ihn zu einem radikaleren, verzweifelten Schritt führt. Letztendlich möchte er sich nur Umorientieren. „Eine Auszeit. Eine echte Auszeit. Nicht so wie die in Rottenegg.“ Aber nichts ist schwieriger als eine Umorientierung. Diese muss nämlich auch von der emotionalen und nicht nur von der intellektuellen Intelligenz des Individuums getragen werden. Und genau über diese Schwierigkeiten hat Kavka einen intelligenten Roman geschrieben. Unterhaltsam, kurzweilig, lebendig, lebensnah und empfehlenswert.

Titelbild

Markus Kavka: Rottenegg. Roman.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2011.
271 Seiten, 13,95 EUR.
ISBN-13: 9783862520046

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