Ehrlich und geradeaus

Patrick Strasser erzählt das Leben Rudi Assauers

Von Andreas SolbachRSS-Newsfeed neuer Artikel von Andreas Solbach

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Anfang 2012 wurde öffentlich, was bislang nur einer kleinen Gruppe von Vertrauten bekannt war: Der ehemalige Fußballprofi und erfolgreiche Manager von Werder Bremen, dem VfB Oldenburg und Schalke 04, Rudi Assauer, leidet seit Jahren an der Demenzkrankheit Alzheimer. Die Nachricht war verbunden mit der Ankündigung einer Fernsehreportage zu dem Fall und der bevorstehenden Publikation eines Erinnerungen-Buches des bekannten und beliebten Prominenten.

Die Pressemitteilung war für die interessierte Öffentlichkeit ein Schock, denn hier wurde ein höchst aktiver „Macher“ erbarmungslos aus dem Leben, aus seinem Leben in der Öffentlichkeit genommen. Assoziationen zu der Erkrankung der Sportmoderatorin Monika Lierhaus und dem Selbstmord von Gunter Sachs, der ebenfalls an Alzheimer erkrankt war, stellen sich ein. Anders als Lierhaus, die sich viel Respekt und Anerkennung durch ihren entschiedenen Kampf gegen die Folgen ihrer Krankheit erworben hat, kann Rudi Assauer selbst nur wenig gegen unaufhaltsamen Fortschritt des Vergessens unternehmen. Das wusste auch Gunter Sachs, und in kühler Konsequenz hat er ein Leben beendet, das nicht mehr seinen Werten entsprach. Rudi Assauer hat sich mit seiner Situation in der Form eines Lebensberichts auseinandergesetzt, dessen Entstehung bereits von dem Fortschreiten seiner Krankheit beeinträchtigt war.

Auch wer sich nicht für Fußball interessiert und selten fernsieht, kennt den Charakterkopf mit der Zigarre, spätestens seit Assauers langjähriger Liaison mit der Schauspielerin Simone Thomalla. Beide traten sehr gekonnt und witzig in einem später preisgekrönten Bierwerbespot auf, bevor sie sich – wiederum mit ausführlicher Medienbegleitung – auf andere Weise spektakulär und handfest auseinandersetzten. Assauer pflegte dabei – ein wenig ungewollt – das Image eines sanften Machos, das ihm spätestens seit seinem „Nacktfoto“ mit Rose 1974 in der Bild-Zeitung als „schönstem Fußballer“ anhaftet. Es war der Sturz dieses plakativsten Beispiels für ein in vollen Zügen genossenes Leben ins Vergessen, der den allgemeinen Schock auslöste.

Nachdem der Versuch, die Erkrankung zu marginalisieren, nicht mehr gangbar war, haben sich Rudi Assauer und seine Familie für eine offene und umfangreiche Informationspolitik entschieden. Dabei sollte nicht die Krankheit der alleinige Fokus sein, sondern in eine biografische Würdigung der gesamten Laufbahn Assauers eingebettet werden. Assauer erscheint so nicht auf seine Krankheit reduziert, sondern als der bedeutende Fußballprofi und Manager, der er ist.

Beauftragt wurde damit der Münchner Sportjournalist Patrick Strasser, der mit einer ganz ähnlich strukturierten Biografie des FC Bayern-Managers Uli Hoeneß Erfolg hatte. Strasser war bei seiner Aufgabe sicher nicht zu beneiden, denn, anders als im Fall Hoeneß, drohte ihm sein biografisches Objekt immer weiter zu entgleiten, und man merkt dem Buch die Anstrengungen an, einen originalen Assauer-Erzählton zu produzieren. Wahrscheinlich war es dafür etwas zu spät; ein Bericht in der Ich-Form war angesichts des Materials unglaubwürdig, und so beschränkt sich das Buch sinnvollerweise auf einen Mix von journalistischem Bericht und einzelnen Passagen, die von Rudi Assauer stammen.

Abgesehen vom Anfangs- und Schlusskapitel, die sich auf die Krankheit beziehen, ist dabei eine recht geradlinige Erzählung der beruflichen Karriere Rudi Assauers herausgekommen, die beim Lesen so manche Erinnerung, aber auch einige Aha-Effekte hervorruft. Das ist alles gut recherchiert und gut gemacht, vor allem, wenn man die Umstände bedenkt. Aber es fehlt etwas in dieser oft minutiösen Darstellung von Spielerein- und -verkäufen, von Matchbeschreibungen und den endlosen Namenlisten: der eigentliche Rudi Assauer. Man erfährt unendlich viel über ihn und seine Leistungen, und es ist nicht so, dass der Mensch Assauer dahinter verschwindet – dafür sorgen schon die Assauer-Passagen und seine berühmten Sprüche. Die eine, die wichtigste Dimension aber, um die sich Patrick Strasser ernsthaft und aufrichtig bemüht und die das ganze Buch hindurch Thema ist, entzieht sich ihm letztlich doch.

Rudi Assauer ist ein Kind des Ruhrgebiets; die ganz besondere Verbindung von Fußball und regionaler Identität wird im Text zwar immer wieder benannt, aber nicht vollständig für die Charakterisierung genutzt. Familie, Freunde und Weggefährten erscheinen zumeist nur in ihrer Verbindung zum Fußball, und deswegen bleiben sie blass. Sicher musste auch der Wunsch der Familie und der Anwälte respektiert werden, bestimmte persönliche Beziehungen unerörtert zu lassen, aber eine ausführlichere Berücksichtigung des persönlichen Umfelds wäre wünschenswert gewesen. So bleibt eine vollständige Chronologie der Karriere eines herausragenden Profifußballers und eines höchst erfolgreichen Managers, ohne dass seine Persönlichkeit gänzlich fassbar würde. Rudi Assauer wird als Mensch im Wesentlichen nur in seinen beruflichen Zusammenhängen sichtbar: ehrlich und geradeaus, manchmal auch offen bis zur Beleidigung, aber immer mit Rücksicht und Verständnis für die Menschen. Seine Impulsivität ist der Nährboden seiner Innovationskraft, und seine nicht selten eitlen Posen sind immer auch ein wenig ironisch. Man muss wohl auch ein Ego wie Rudi Assauer besitzen, um Projekte wie die Schalke-Arena durchzusetzen und durchzustehen.

Insgesamt präsentiert Patrick Strasser viel Wissenswertes, aber auch entbehrliche Details und eine lesbare und lesenswerte Darstellung Rudi Assauers als Macher und Profi; ein lebendiges Bild eines Mannes, der der Öffentlichkeit wie ein Bild des Lebens erschien.

Titelbild

Patrick Strasser / Rudi Assauer: Wie ausgewechselt. Verblassende Erinnerungen an mein Leben.
riva Verlag, München 2012.
250 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783868831979

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