Nach so vielen Jahren

Zu Tess Gerritsens Thriller „Grabesstille“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Bestsellerautorin Tess Gerritsen hat schon einige Thriller mit den beiden Protagonisten Jane Rizzoli und Maura Isles geschrieben. Dem hiesigen Fernsehzuschauer könnten die Figuren aus der noch nicht sehr lange laufenden Fernsehserie „Rizzoli & Isles“ bekannt sein. Mit diesen „Vorurteilen“ darf man sich dem neuen Roman von Tess Gerritsen entspannt nähern. Steht man den handlungstragenden Figuren unvoreingenommen gegenüber – umso besser.

Ausgangspunkt des aktuellen Falls ist eine abgetrennte Hand in einem Hinterhof. Dass diese Hand durch ein antikes chinesisches Ritualschwert abgetrennt wurde, verweist die Ermittler nach einigen Nachforschungen auf ein fast zwanzig Jahre zurückliegendes Verbrechen in Chinatown, dessen Ursache und Hintergründe auch nach so langer Zeit noch ungeklärt sind. Rizzoli formuliert den Kontext für den Polizeipsychologen: „‚Ich erinnere mich sehr gut an das Red-Phoenix-Massaker. Es war ein klassischer Fall von Amok.‘ Der Kriminalpsychologe Dr. Lawrence Zucker lehnte sich in seinem Sessel zurück und sah Jane und Frost über seinen Schreibtisch hinweg an, mit jenem durchdringenden Blick, der Jane schon immer nervös gemacht hatte. Obwohl Frost direkt neben ihr saß, schien Zucker nur sie anzuschauen, bis sie das Gefühl hatte, dass er direkt in ihren Kopf hineinsah und dort nach Geheimnissen forschte, als ob sie das einzige Objekt seiner Neugier wäre. Zucker kannte bereits zu viele ihrer Geheimnisse.“

Bei den Ermittlungen treffen Jane Rizzoli und die Kriminaltechnikerin Maura Isles auf seltsame Sachverhalte, die sie mit der chinesischen Mythologie und deren Ritualen konfrontieren. Dass es dabei manchmal etwas übersinnlich zuzugehen scheint, erhöht die Spannung nur um einen Bruchteil. Dass es im Roman auch humorig zugehen kann, trägt zur unterhaltsamen Lektüre bei, etwa wenn Rizzoli bemerkt: „Korsak hob sein Bierglas, um ihr zuzuprosten. ‚Wie sagt ihr Mädels immer? You go, girl!‘ Ihr Blick fiel auf sein fettbespritztes Hemd, und sie dachte: mit deinen Brüsten kannst du allerdings bei jeder Weiberrunde mithalten.“

Tess Gerritsen hat einen ordentlichen Roman geschrieben, der im Gegensatz zum Vorgänger nicht Maura Isles in den Mittelpunkt stellt, sondern Jane Rizzoli. Die Geschichte mit chinesischem Kulturkolorit hinterlässt den Eindruck eines etwas langsamen Kriminalromans. Aber dies erfüllt eigentlich die Erwartungshaltung einem Buch von Gerritsen gegenüber. Also alles bestens.

Titelbild

Tess Gerritsen: Grabesstille. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Andreas Jäger.
Limes Verlag, München 2012.
446 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783809025771

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