Kein Ende in Sicht

Andreas Meyer hat einen Band zum Nachleben der heiligen Elisabeth von Thüringen herausgegeben

Von Alissa TheißRSS-Newsfeed neuer Artikel von Alissa Theiß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

‚Elisabeth und kein Ende…’ passender hätte der Titel der 2012 erschienenen Publikation zu einer bereits fünf Jahre zurückliegenden Tagung wohl nicht gewählt sein können. Der von Andreas Meyer herausgegebene Band umfasst einschließlich Vorwort 17 Beiträge, die auf die Vorträge einer Tagung des Marburger Mittelalterzentrums im Rahmen des Elisabethjahres 2007 zurückgehen. Auf der beiliegenden DVD sind eine Animation zur Rundumansicht des Stockholmer Kronreliquiars sowie etwa 460 Abbildungen (Fotografien, Zeichnungen und Pläne), zumeist in hervorragender Qualität, aufgezeichnet. Allerdings stellt sich bei dieser überbordenden Menge die Frage, ob eine solche Masse an Bildmaterial wirklich sinnvoll ist, da die Gefahr besteht, die Leser schlichtweg zu überfordern.

Die durchweg spannenden und allgemeinverständlich geschriebenen Beiträge des Bandes nähern sich dem Thema der Elisabethrezeption von ganz unterschiedlichen Blickwinkeln aus. Besonderes Augenmerk ist auf Geschichte, Gebrauch und Verbleib der Elisabeth-Reliquiare gelegt. So diskutieren Andreas Meyer und Göran Tegnér über das Kronreliquiar der Heiligen und darüber, ob Kaiser Friedrich II., Stifter der Krone, selbige auf das Haupt der verstorbenen Elisabeth legte oder auf den Deckel des Reliquienbehälters, wohingegen Ralf Schmidt von zwei Kronen ausgeht, eine für den Schädel und eine für den Behälter. Schmidt legt außerdem überzeugend dar, dass es sich bei der bisher in der Forschung als „Guckloch“ postulierten Öffnung im Kronreliquiar vielmehr um ein „Tastloch“ handelt. Bei Erika Dinkler-von Schuberts Beitrag, in dem der Marburger Elisabethschrein ausführlich besprochen wird, handelt es sich um den Abdruck eines bereits 1974 in neubearbeiteter, zweiter Auflage erschienen Aufsatzes, der bis dato vergriffen war und der nun dankenswerterweise wieder zugänglich gemacht wurde. Carola Fey geht schließlich dem Gebrauch von Elisabeth-Reliquien in fürstlichen Kreisen während des 14. und 15. Jahrhunderts nach.

Herausragend sind die hier publizierten Ergebnisse der mineralogischen und gemmologischen Untersuchungen von Ralf Schmidt und Rita Amedick. Ausgehend von der Achatschale, die in das Kronreliquiar eingearbeitet ist, postuliert Schmidt erstmalig Thrakien als Herkunftsort der in Antike und Mittelalter verarbeiteten Achate und räumt damit endlich mit der schwammigen, aber geläufigen Herkunftsbezeichnung „Indien“ auf. Amedick gelang es im Jahr 2006, die wichtigste Gemme des Elisabethschreins, einen oberhalb der Maria angebrachten Kameo, der seit napoleonischer Zeit als verschollen galt, im Cabinet des Médailles der Bibliothèque Nationale de France in Paris ausfindig zu machen. In ihrem Beitrag über die Edelsteine des Elisabethschreins erläutert Amedick eindrücklich die Geschichte der verwendeten Gemmen und zieht Rückschlüsse auf das Bildprogramm des Schreins, was Vermutungen darüber erlaubt, wie der Elisabethschrein aufgestellt war und welche Schreinseite ursprünglich als die Haupt- beziehungsweise Schauseite konzipiert worden ist.

Mit dem Einfluss Elisabeths auf ihre Nachwelt beschäftigen sich gleich mehrere Autoren: Harald Winkel geht dem Leben und der späteren Verehrung Gertrud von Altenbergs nach und berichtet von Gertruds Erfolg, das Kloster Altenberg zu einem Zentrum der Elisabethverehrung und damit bekannt und wohlhabend zu machen. Über Elisabeth und ihre Bedeutung für das Haus Hessen gibt Rainer von Hessen Auskunft. Während sich Ingrid Kloerss mit der Beginenbewegung in Marburg beschäftigt, geht es Christine Reinle in ihrem mit „Männliche Religiosität im Umfeld Elisabeths“ betitelten Beitrag darum, die oftmals politische Inszenierung von Frömmigkeit neben einer privaten Religiosität der Herrscher aufzuzeigen. In dem sehr unterhaltsam zu lesenden Beitrag von Tanja von Werner wird, fast im journalistischen Stil, über das Leben des Landgrafen Wilhelm II. informiert, der sich, als einer der wenigen, für seine heiliggesprochene Ahnfrau kaum interessiert zu haben scheint. Bianca Nassauer zeigt anhand der Elisabeth-Oratorien von Franz Liszt und Heinrich Fidelis Müller, dass die Rezeption der Heiligen auch im 19. Jahrhundert noch von Bedeutung war.

Elisabeths Nachwirken in der Literatur darf selbstverständlich bei einer Tagung zu ihrer Rezeption nicht fehlen. Otfried Krafft hat für seinen Beitrag die Darstellung der spätmittelalterlichen Verehrung der Heiligen Elisabeth bei Wigand Lauze, einem hessischen Geschichtsschreiber des 16. Jahrhunderts, untersucht und greift die viel diskutierte Frage um Marburgs Stellenwert als Pilgerziel auf. Mit der Bedeutsamkeit von Elisabeth-Drucken während der Reformationszeit setzt sich Jürgen Schulz-Grobert auseinander und zeichnet die Entstehungsgeschichte der bei Matthes Maler in Erfurt gedruckten „Cronica sant Elisabet“ nach. Aufschlussreich sind insbesondere die Ausführungen darüber, dass Elisabeth sowohl von der Gegenreformation als auch von der Reformation als Vorbild eingesetzt werden konnte, die Figur sich aber von keiner Seite für deren jeweilige Zwecke „verabsolutieren“ ließ.

Ganz unmittelbar mit dem Leben zur Zeit Elisabeths wird man in Berührung gebracht, wenn es um die archäologischen Ausgrabungen auf dem ehemaligen Deutschordens-Gelände rings um die Elisabethkirche in Marburg geht. Christa Meiborg berichtet in ihrem Beitrag über die im Jahr 2006 begonnen Grabungen und stellt zahlreiche Gebäudestrukturen sowie die zur Kirche gehörenden Friedhöfe vor. Dass, wie der Titel des Tagungsbandes suggeriert, noch immer kein Ende mit Elisabeth in Sicht ist, wird spätestens dann deutlich, wenn man bedenkt, dass zurzeit noch immer archäologische Untersuchungen auf dem Gelände laufen. Wenngleich es sich um die letzte geplante Grabungs-Kampagne handelt, wird die Aufarbeitung sämtlicher Befundstrukturen und des geborgen Materials sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Marburger Heilige wird also, zumindest bei einigen, auch weiterhin nicht in Vergessenheit geraten.

Titelbild

Andreas Meyer (Hg.): Elisabeth und kein Ende. zum Nachleben der Heiligen Elisabeth von Thüringen.
Eudora Verlag, Leipzig 2011.
348 Seiten, 39,90 EUR.
ISBN-13: 9783938533321

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