Politversuch

Bernhard Jaumann versucht sich in „Steinland“ am politischen Afrika-Thriller

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Engführung von siegreichen revolutionären Gruppen und Korruption in den ehemaligen europäischen Kolonien ist ein altes Kapitel in der Thriller-Geschichte – zumal, nachdem die alten Kalter-Krieg-Geschichten nun ihr Ende gefunden haben. Ob es sich dabei um eine Motivtradition, ein politisches Klischee oder ein echtes Problem handelt, lässt sich dabei wohl frei wählen. Zumindest solange, bis man sich intensiver mit dem jeweiligen Land, das den Schauplatz liefert, beschäftigt hat.

Deutschland nun hat das Glück, nur eine kurze, dafür aber gleichfalls blutige Kolonialgeschichte zu haben. Die lässt sich zwar mit der Großbritanniens, Portugals, Spaniens, Belgiens oder der Niederlande nicht vergleichen. Aber wer sich ein bisschen einlesen will, der beschaffe sich Gustav Frenssens „Peter Moors Fahrt nach Südwest“, in dem man erfahren kann, warum die „Hottentotten“ in der deutschen Kultur immer noch eine Bedeutung haben. Die wurden nämlich von den jungen deutschen Kolonialherren im sogenannten „Deutsch-Südwest“ in die Wüste getrieben und vernichtet. Eine weitere wenig ruhmreiche Geschichte, die nur gelegentlich und bis heute in das deutsche Bewusstsein vordringt.

Aus „Deutsch-Südwest“ ist mittlerweile Namibia geworden, ein Land im Südwesten Afrikas, das seit Jahren mit seiner Kolonialvergangenheit und seiner Selbständigkeit kämpft, um irgendwann dann doch so etwas wie eine zivile und wirtschaftlich saturierte Gesellschaft zu werden. Menschen haben weder den Dauerkrieg verdient, noch dass sie auf Dauer und immer wieder korrupten Einzelinteressen zum Opfer fallen, um das mal ungeschützt zu formulieren. Denn ganz im Ernst, was wissen wir von Namibia?

Bernhard Jaumann nun schreibt seit einigen Jahren in einer namibischen Szenerie, also in einem Land, das von den Widersprüchen von Befreiung und Entwicklungsversprechen, von den alten Rechnungen und den neuen Forderungen geprägt ist. Die neuen Machthaber, so lässt sich thesenhaft formulieren, beschränken sich auf eine symbolhafte Politik, weil sich schnell gute und spürbare Resultate für die breite Bevölkerung nicht erzielen lassen. Freiheit soll sich lohnen, und wenn sie nicht zu Wohlstand führt, dann wenigstens zu Vorteilen für diejenigen, die lange darauf verzichten mussten. Die Landpolitik ist dafür das geeignete Mittel.

Der schwarzen Bevölkerung das Land der weißen Farmer zu geben, auch wenn sie damit nichts anzufangen weiß, ist immerhin ein Akt. Und hinterher staatliche Unterstützung zu gewähren, wenn die Neufarmer nicht erfolgreich sind, ist immer noch billiger, als den Erfolg des Befreiungskriegs aufs Spiel zu setzen. Dass gegebenenfalls alte wie neue Eliten darauf angewiesen sind, ihre Kräfte zu bündeln und zusammenzuarbeiten, ist eine Überlegung, die Jaumann interessanterweise in seinen Krimi einfließen lässt. Aber er ist klug genug, diese Erkenntnis nicht mit der Gewissheit zu versehen, dass sie von vorneherein erfolgreich ist. Denn ein logischer Weg, den eine Gesellschaft einschlagen muss, um erfolgreich sein zu können, kann den Interessen von Gruppen und Einzelnen widersprechen. Was dann zum Scheitern führt. Wobei damit nicht gesagt ist, wo diese Gruppen anzusiedeln sind. Dass die Kriege Afrikas Stellvertreterkriege der Industriestaaten sind, ist als These immerhin noch präsent genug (kommt bei Jaumann aber nicht vor).

Jaumann entscheidet sich stattdessen für eine geradezu klassische Konstellation: Ein Mitglied der neuen Elite versucht sich zu bereichern, indem er sein Amt missbraucht, um sich in den Besitz einer bestimmten Farm zu bringen. Warum er das will, bleibt offen. Es muss nun mal diese Farm sein. Deshalb setzt er ein paar Hilfskräfte darauf an, die betreffende Farmerfamilie unter Druck zu setzen. Das Ganze eskaliert aber, als eines Nachts der Farmer erschossen und sein Sohn entführt wird. Als dann der Hilfstrupp selbst verfolgt und seine Mitglieder ermordet werden, ist das Fiasko perfekt.

Die Ermittlerin Clemencia Garises gerät zu allem Überfluss in eine Zwickmühle, weil sie erkennen muss, dass ihr Bruder einer der vom selbstverständlich intriganten Minister gedungenen Hilfskräfte war und deshalb jetzt nicht nur kriminell, sondern auch noch bedroht ist. Das heißt eigentlich, dass sie die Ermittlung abgeben müsste, um ihren Erfolg nicht zu gefährden, sie müsste den Bruder mindestens verhaften, was auch nicht geschieht, und sie sollte irgendwen darüber informieren, was ihres Erachtens eigentlich vor sich geht.

Aber nicht einmal mit ihrem Freund, einem weißen Journalisten, redet sie offen. Stattdessen ermittelt sie allein und auf sich gestellt und deckt natürlich am Ende alles auf. Das ist schön und richtig, auch wenn die politischen Konsequenzen haarig sind. Und so bleibt am Ende ein fader Geschmack zurück – aber nicht weil die Richtung nicht stimmte, sondern weil das Ganze nicht belastbar inszeniert ist. Ein Klassiker in Sachen gut gemeint…

Titelbild

Bernhard Jaumann: Steinland. Kriminalroman.
Kindler Verlag, Reinbek bei Hamburg 2012.
318 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783463405704

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