Wein und Terrorismus

„Bis zur Neige“ ist ein spannender Kriminalroman des Autorenduos Claus Bielefeld und Petra Hartlieb

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Autorenduo Claus-Ulrich Bielefeld und Petra Hartlieb haben einen neuen Kriminalroman mit den beiden Ermittlern Thomas Bernhardt aus Berlin und der Chefinspektorin Anna Habel aus Wien geschrieben. Sie verbinden erneut die zwei Handlungsorte Berlin und Wien miteinander und schicken den Leser in ein Spannungsfeld zwischen Wein und Terrorismus. Diese beiden Schlagworte stecken jedenfalls den Rahmen für das Verbrechen ab, das erst nach intensiver Ermittlungsarbeit erkennbar wird. Die ersten Indizien für eine Verbindung zwischen Wien und Berlin liefert die Leiche eines Winzers in einem kleinen österreichischen Dorf. Der Kontakt zwischen den beiden Ermittlern, der auch von beiderseitigem persönlichem Interesse aneinander geprägt ist, ist schnell hergestellt und man tauscht sich auf dem kurzen Dienstweg aus.

„Wie schnell ein Tag in Missmut versacken konnte. Thomas Bernhardts kurz aufflackernde Freude über den Anruf von Anna Habel hatte sich schnell gelegt. Miss Marple aus Wien hatte einen neuen Fall, und schon hatte sie sich festgebissen. Ihre großspurige Art: Ja, da führt auch eine Spur nach Berlin, kannst du nicht mal? Freddy Bachmüller, ja, nur wenn du Lust hast. Du hast eine Woche Urlaub? Klar, nur wenn du Lust hast. Ja, ist doch deine Entscheidung. Wie du willst.“

Das Spannungsverhältnis zwischen beiden Ermittlern, zwischen Wien und Berlin, macht den Reiz des Kriminalromans aus. Ebenso macht das mitgelieferte Lokalkolorit die Lektüre unterhaltsam und authentisch. Man wandelt mit den beiden Protagonisten gerne durch die Biergärten und den Heurigen auf ein Glas Bier oder einen Schluck Wein. Und dabei bleibt auch der kulturelle Anspruch nicht auf der Strecke. Die Anspielungen sind intelligent, verweisen auf weitere Lektüre, die dem Leser nicht zum Schaden gereichen würde: „,Herr Thomas Bernhardt, nicht schlecht. ‚Delikte am Menschen‘, auch nicht schlecht. Kennen Sie Auslöschung. Ein Zerfall von Ihrem Namensvetter? Sehr stark.‘“.

Fast nebenbei gilt es auch noch einen etwas verstrickten Doppelmord zu lösen. Auslöser ist ein toter Edelwinzer in einem in der Nähe von Wien gelegenen Dorf, in dem auch die Ermittlerin Anna Habel ihr Wochenendhäuschen hat. Einige Spuren führen nach Berlin, wohin der tote Weinbauer seinen Wein geliefert hat. Habel greift auf ihren Berliner Kollegen Bernhardt zurück. Dabei bleibt Kommissar Bernhardt nachdenklich, grüblerisch: „Als sie zur Theke ging, schaute er ihr nicht nach. Sie hatte ihn gestört bei seiner Suche nach der verlorenen Zeit. Wie war er darauf gekommen? All das Vergangene, die siebziger und achtziger Jahre, das war doch abgelebt. Wiese flossen seine Gedanken in diese Richtung, fragte er sich. Was hatte ihn dazu gebracht? Dieser Winzer im Weinviertel…“.

Neben dem Romanpersonal, der charmanten Atmosphäre, guten Dialogen und einer spannenden Geschichte ist sogar der Soundtrack zu dem Kriminalroman beachtenswert. Die Musik, die in manchen Szenen den Hintergrund illuminiert, ist durchaus passend ausgewählt, etwa wenn „Velvet Underground“ ein romantisches Treffen der Ermittlerin Habel mit einem ihrer Bewunderer begleitet. Dass auch dies eine romantische Brechung ist, bemerkt natürlich nur, wer auch die Musik kennt.

Letztendlich sind es mehrere Elemente, die den Roman so lesenswert machen: Die erfrischenden und überraschenden Elemente der Erzählung, die authentische Schilderung der Handlungsräume und eine seltsam positive Lebenseinstellung der Protagonisten, die ironisch gebrochen wird und trotzdem immer wieder durchscheint. Alle drei Aspekte heben den Kriminalroman merklich aus dem Krimi-Einerlei heraus. Die Philosophie der Autoren wie der Protagonisten kulminiert in einem Satz, der auch jedem Kriminalermittler gut zu Gesicht steht: „Wir kriegen’s hin.“ Genau, so machen wir das – einfach lesen, dann kriegen wir das hin.

Titelbild

Claus-Ulrich Bielefeld / Petra Hartlieb: Bis zur Neige. Ein Fall für Berlin und Wien.
Diogenes Verlag, Zürich 2012.
480 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783257300086

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