Gäbe es nur dieses Verlangen nach Glück nicht…

David Foenkinos überrascht in seinem Roman „Souvernirs“ mit einem unverstellten Blick auf das Leben, die Liebe und die Ehe

Von Monika RiedelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Riedel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

David Foenkinos ist ein Bestseller-Autor, der spätestens seit seinem Roman „Nathalie küsst“ weit über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt geworden ist. Auch in seinem neunten Buch befasst er sich mit dem unermüdlichen Reigen des Lebens, mit Themen der Liebe, der Ehe und des Alter(n)s. „Souvernirs“ ist ein Familienroman der leisen Töne und der unspektakulären wie unangenehmen Wahrheiten über unsere Gegenwart und (ungewisse) Zukunft.

Dass das Leben unabänderlich voranschreitet, bekommt der etwa 30-jährige Ich-Erzähler und Möchtegern-Sonderling gleich zu Beginn des Romans mit voller Kraft zu spüren: Sein Großvater stirbt, seine innig geliebte Großmutter wird von einem Tag auf den anderen von den Söhnen in ein Altersheim verfrachtet, sein Vater geht in Rente, seine Mutter wiederum nach Russland, um der Leere des Rentneralltags zu entkommen. Der ganz normale Wahnsinn, könnte man meinen, hätte er sich nicht vor Jahren das Zögern und Schaudern zum Lebensprinzip gemacht.

Doch die Turbulenzen in der Familie mobilisieren seine Lebenskräfte keinesfalls. So sind die Besuche in der Seniorenresidenz zunächst ein guter Vorwand, etwas Abwechslung in den dahinplätschernden Alltag zu bringen. Die Schriftstellerei, wegen der er sich als Nachportier in einem Pariser Hotel verdingt hat, erfüllt diesen Zweck lange nicht mehr. Da er zudem mit Worten, die er sagen wollte, grundsätzlich in Verzug ist, erweist sich die Bekämpfung der gesellschaftlich auferlegten Untätigkeit und Langeweile im fortgeschrittenen Alter als ein moderates Mittel, der Großmutter seine ehrliche Zuwendung zu demonstrieren. Auch kann man, wie es im Roman heißt, nicht alles auf einmal bewältigen, man muss eine „Leidenshierarchie“ aufbauen.

Der quirligen alten Dame, die eines Tages aus dem Altersheim ausbüxt, um heimlich den Ort ihrer Kindheit aufzusuchen, verdankt er auch, dass endlich Schwung in sein Leben kommt. Einmal raus aus Paris wird er empfänglich für die Liebe. Was folgt, dürfte mit all seinen Freuden und Anstrengungen bekannt sein: Trotz der verstörenden familiären Auflösungserscheinungen siegt im Erzähler der Wunsch nach Stabilität und er treibt in den kommenden Beziehungs- und Ehejahren die Kunst der Verklärung auf die Spitze. Nur sporadisch glaubt er dabei daran, er führe ein aufregendes Leben.

Im Roman „Souvenirs“ fragt David Foenkinos wieder einmal mit viel Ironie nach dem Gefühlserlebnis des Glücks. Dass seine Sammlung ergreifender Momente nicht zum Kitsch verkommt, sondern eine melancholische Atmosphäre speist, verdankt das Buch ihrer Darbietungsform, den zwischengeschalteten Kurz- und Kürzestkapiteln mit Erinnerungen der (Neben-)Figuren, Zitaten aus Filmen und Büchern, Philosophiestreuseln und Lexikoneinträgen. Sie helfen die Inhalte und Aussagen nicht nur in den feinstofflichen Dimensionen der Realität zu verankern, sondern machen das Buch überhaupt erst zu dem, was es ist: zur gepflegten Unterhaltung.

Titelbild

David Foenkinos: Souvenir. Roman.
Übersetzt aus dem Französischen von Christian Kolb.
Verlag C.H.Beck, München 2012.
333 Seiten, 17,95 EUR.
ISBN-13: 9783406639470

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