Ein „Heidenspaß“?

Ein Handbuch informiert über Religion im populären Film

Von Michael BraunRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Braun

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„An diesem Ort werden Gebete gesprochen – und manchmal auch erhört.“ So stellt Neytiri, die Häuptlingstochter des Stammes der Na’vi auf dem Planeten Pandora, den Baum der Seelen vor. Dieser Baum ist das Heiligtum der humanoiden Ureinwohner, er stiftet eine Verbindung zu den Ahnen und schenkt neues Leben. Der Lebensbaum steht jedoch nicht im biblischen Paradiesgarten, sondern in James Camerons Film „Avatar“ (2009). Filmanalytisch gehört er ins Zentrum der Schnittmenge von Religion, religionsanalogen Phänomenen und Filmen wie dem von Cameron. Mit diesem Konzept eröffnet der Augsburger Theologe Thomas Hausmanninger den dritten und letzten Teilband des „Handbuchs Theologie und populärer Film“ (Band 1 und 2 erschienen 2007 und 2009). Ein solches pluralistisches Religionsverständnis eröffnet eine weite Perspektive auf implizite und explizite religiöse Bezüge im aktuellen Film.

Anstatt zum hundertsten Mal zu untersuchen, wie und warum Jesus nach Hollywood geht, widmet sich der vorliegende, abermals von Thomas Bohrmann (Professor für Katholische Theologie an der Universität der Bundeswehr München), Werner Veith (Professor für Christliche Sozialethik an der Universität Augsburg) und Stephan Zöller (Referent beim Münchner Bildungswerk) herausgegebene Band den Erscheinungsformen der weniger markanten Religionsbilder im Film: der Motivsprache, der Dramaturgie, der Plot-Struktur und der Mythenadaption. Unter die einsichtigen Beispiele fallen unter anderem „Jurassic Park“ (Regie: Steven Spielberg, USA 1993), „Kill Bill: Vol. 2“ (Quentin Tarantino, 2004), „Angels and Demons“ („Illuminati“, Regie: Ron Howard, 2009), die „Shrek“-Filme (2001-2007), die „Star Trek“-Reihe (1979-2009), die „Terminator“-Tetralogie (1984-2009) und die „Herr der Ringe“-Filme (seit 2001). Religion dient hier mit wechselnden Storylines (Freundschaft und Liebe, Freiheit und Verantwortung, Mensch und Natur, Mensch und Technik) der „Komplexitätsreduktion zum Zweck der Kontingenzbewältigung“ (Hausmanninger), sie wird affirmiert, negiert, neutralisiert oder – der interessanteste Fall – „kontraintentional“ umgedeutet. So etwa in „The Lion King“ („Der König der Löwen“, 1993), der durch die „Vermeidung des Neuen Testaments“ einen „Heidenspaß“ erzeuge, wie Georg Seeßlen meint. Über die Grenzen der dogmatischen Regelfelder hinweg wirkt – im Sinne der Freiheit der Kunst – die katholische und der evangelische Filmpublizistik in Deutschland, der Schweiz und Österreich an der Theologie des populären Films mit. Auch hier informiert das Handbuch sachlich und gründlich. Der Anhang enthält eine ausführliche, sehr hilfreiche Filmografie, ein Filmtitel- und ein Personenregister.

Die Präsenz religiös aufgeladener Themen ist wohl nirgends so wirksam und so sichtbar wie im populären Film. Man muss nur, mit oder ohne die im Klappentext empfohlene „theologische Brille“, aufmerksam hinsehen und hinhören.

Titelbild

Thomas Bohrmann / Werner Veith / Stephan Zöller (Hg.): Handbuch Theologie und populärer Film.
Schöningh Verlag, Paderborn 2012.
377 Seiten, 39,90 EUR.
ISBN-13: 9783506775351

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