Kreisläufe

George Pelecanos hochgelobter Thriller aus dem Drogenmilieu

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wenn in einem Roman ein 29-jähriger vor sich hin denkt, dass man ihm in den vergangenen zehn Jahren seine Jugend geraubt habe, ist es völlig in Ordnung, das Buch einfach zuzuschlagen. Achtung, Kitschfalle. Wenn so etwas aber einem hochgelobten Autor wie George Pelecanos passiert, dann steckt vielleicht etwas mehr dahinter? Etwas Gehaltvolles? Eine Idee? Eine Botschaft? Zum Beispiel, dass die Ehemaligen des Irakkriegs von ihren Erfahrungen bitter geprägt sind und sie nicht mehr loswerden? Sagen wir, mag sein.

Niemand muss sich wundern, wenn Leute, die aus einem Krieg zurückkehren, sich das eine oder andere herausnehmen. Allerdings ist es erstaunlich, wie selbstverständlich mittlerweile Rückkehrer einen Sonderstatus im Krimi einnehmen: entweder völlig abgedreht oder Einzelkämpfer mit wenig Gewissensbissen und viel Gewaltbereitschaft.

Womit das zusammenhängt? Vielleicht mit dem schlechten Gewissen der Zivilgesellschaften, die sich kriegerische Abenteuer gönnen. Vielleicht mit der Angst der Zivilgesellschaft vor der Gewalt, die aus ihrem eigenen Inneren kommt. Vielleicht auch mit der erzählerischen Pragmatik, die einen kompetenten Helden fordert, der zugleich ausreichend Angriffspunkte bietet, der auf beiden Seiten der imaginären Linie zwischen gut und böse, richtig und falsch steht.

Ein Held, der alles kann, und dabei hinreichend leidet, erfüllt alle notwendigen Anforderungen an ausreichend Sympathiepotenzial. Er bleibt bodenständig, weil seine kryptonische Seite ihn anfällig macht für Attacken unterschiedlicher Art. Das wiederum verhindert, dass er übermächtig wird, Superheld hin oder her.

Das ist auch bei Pelecanos’ Held Spero Lucas der Fall. Der Mann ist Irak-Kämpfer gewesen, verdient sein Geld als Ermittler für einen Anwalt und findet nichts wirklich dabei, einen Mann, der ihn angreift, umzubringen. Das ist nicht schön, wird aber als notwendig angesehen.

Zumal es zu den wichtigsten Kompetenzen des Helden gehört, sich seiner Haut angemessen wehren zu können, und zwar so, dass ihm keiner was kann. (Interessantes Gegenmodell zum Antihelden, der sich dauernd verprügeln lässt, um am Ende die Oberhand zu gewinnen.) Das findet der Bruder Speros nicht gut, aber der gute Lehrer muss notgedrungen zu so etwas den Gegenpart spielen, ohne dass es der gegenseitigen Wertschätzung Abbruch täte.

Natürlich kann Spero auch mehr, zum Beispiel einbrechen, Waffen tragen und Sachen ermitteln, mit Frauen schlafen und Jungen Filmbücher schenken, gut essen gehen und den Charmebolzen rauslassen. Immerhin müssen verlorene Jugendjahre nachgeholt werden.

Dieser Spero nun übernimmt den Auftrag eines einsitzenden Drogenbosses, sich darum zu kümmern, wo seine Marihuana-Pakete abbleiben, die von fremdem Haustüren gestohlen werden. Der Dealer lässt sich nämlich die Drogen per Paketpost schicken und zu Adressen zustellen, bei denen tags niemand zuhause ist, Dann einfach von der Haustüre oder der Veranda abholen, fertig ist die Zustellung.

Nun verschwinden kurz hintereinander zwei Pakete, die gehobenen Hilfskräfte wissen anscheinend nicht, wie sie damit umgehen sollen. Also wird ein Spezialist hinzugezogen – Spero eben, da der Chef ja im Knast sitzt. Natürlich findet er alles raus, was rauszukriegen ist, führt einen Polizisten auf den rechten Weg zurück, verdient sich sein Geld unredlich, aber immerhin. Und ebenso natürlich sind die Verhältnisse nicht so, wie sie scheinen. Spero, immer hinter der nächsten Erkenntnis drein, kommt am Ende auch noch allen drauf, und damit hat das alles ein Ende, eben auch die Lektüre dieses Thrillers.

Das alles ist, gelegentliche Schnitzer ignoriert, ganz unterhaltsam geschrieben und hat den notwendigen Trieb nach vorne, um einigermaßen Spannung zu erzeugen. Pelecanos Roman liest sich also ganz ansehnlich, aber mehr hat er dann doch nicht zu bieten. Von wegen „größer lebender Spannungsautor“. Sowas kommt zwar von Stephen King, aber selbst wer so etwas wie „Shining“ geschrieben hat, darf sich nicht alles erlauben, zum Beispiel über die Gebühr zu loben. War auch eine der großen Schwächen Thomas Manns.

Das ist soweit in Ordnung, denn das alles wird ja zur Unterhaltung gelesen und hat insofern einen Auftrag, den Pelecanos ja auch erfüllt. Aber zur wahren Größe gehört dann doch etwas mehr Witz beim Plot, ein paar bessere Ideen bei den Wendungen, die die Geschichte nehmen muss, eine bessere Schreibe und insgesamt ein bisschen mehr Qualität. Das macht „Ein schmutziges Geschäft“ nicht zur Dutzendware, was ja auch gesagt sein soll.

Titelbild

George Pelecanos: Ein schmutziges Geschäft. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Jochen Schwarzer.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2012.
383 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783499258855

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